Gefangen im eigenen Kopf
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Commentaire
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Agora 3.0 - Bildbesprechung intensiv 18/12/2015 19:08
Hier:geht es weiter.
Agora 3.0 - Bildbesprechung intensiv 18/12/2015 19:08
Der Fotograf jjPix4u schreibt:"Zuerst einmal, vielen Dank, an alle für die Beteiligung an der Argora-Bilddiskussion.
Mit großem Interesse habe ich die Diskussion verfolgt. Dabei ist mir eins bewusst geworden, es gibt viele Sichtweisen. In erster Linie ziehe ich ein positives Fazit aus der Diskussion. Es freut mich, dass ich handwerklich nicht in die Kritik geraten bin. Keine Anmerkungen zu Kontrast, leichte Tönung, Schärfe, usw.. Es schmeichelt mir ein wenig, dass ich mit diesem Bild in der „Parfümwerbung“ gelandet bin. Dort habe ich es selbst nie gesehen. Was polarisiert, ist der Stacheldraht. Der Stacheldraht symbolisiert die Grenzen die wir im Kopf haben (nur im Kopf kann ich schlecht fotografieren :-) ). Grenzen die mal enger aber auch weiter gesteckt sein können. Sofern sie in unserem Kopf entstehen, sind sie immer selbst gemacht.
Der Stacheldraht ist wie ein Zaun zu sehen, der uns einsperrt. Ein selbst errichteter Zaun, der vielleicht auch mit unserer Komfortzone gleichzusetzen ist. Daher auch der Titel „gefangen im eigenen Kopf“. Eigene Gewohnheiten, Vorurteile, festgefahrene Meinungen, die vorgenannte Komfortzone und auch unser eigener „innere Schweinehund“ erhalten diese Grenze aufrecht. Grenzen die wir selbst errichtet haben und nicht bzw. viel zu selten überschreiten. Wie sehr uns diese eigne Grenze quält und in Gefangenschaft nimmt, hängt von jedem selbst ab. In diesem Sinn ist der Blick auf das Bild, auch ein Blick auf uns selbst. Wo haben wir unsere Grenzen gesteckt?
Wer kennt nicht das Gefühl eines quälenden Gedankens? Doch wer sagt uns denn, dass wir diesen Gedanken denken sollen? …und muss man einem ein Leid immer ansehen, weil es nur so ein echtes Leiden ist?
Darüber lässt sich sicherlich viel diskutieren und damit hat das Bild an dieser Stelle in meinen Augen seinen Zweck erfüllt."
Clara Hase 18/12/2015 17:39
Klaus Ender - um Macht und Gewalt und Unschuld geht es eigentlich nichtsondern um das innere Quietschen etwas zu tun oder nicht.
Um das sich selbst zurückhalten
Da auch das Wort Zaun fiel, könnte die junge Frau sich selbst diesen Draht um denKopf halten - sich einzäunen.
† Klaus Ender 18/12/2015 12:29
Ich habe in meinen Vorträgen oft den Satz verwendet: Ein guter Rhetoriker kann jedes Bild "zerreißen" oder "hoch jubeln." So ähnlich ist die Einschätzung dieses Bildes - und vieler anderer Bilder der Agora auch.Meine Bildkritik: Um dramatische Gefühle auszudrücken, ist das überwiegende Weiß ungünstig. Ein weißes Brautkleid (z.B.) ist nicht zufällig weiß...
Für ein High Key Bild sind zuviele schmuddlige Töne vorhanden.
Um Gefühle auszudrücken muss ein Konzept erarbeitet werden, das in allen Punkten "stimmig" ist.
Ich hätte zwei markante Männer-Hände als Schwerpunkt genommen, die den Stacheldraht auf das Mädchen-Haupt drücken. Diese dunkler dargestellten Hände hätten gegenüber dem "Unschuldsweiß" ein viel stärkeres Motiv ergeben, das wirklich Macht und Gewalt verkörpert hätten.
Wer ein so schwieriges Thema bewältigen will, muss viel Erfahrung mitbringen. Hat er diese nicht, dann muss er seine Idee hüten, bis er soweit ist. Kein Meister ist jemals vom Himmel gefallen...MfG.Klaus
Anja Müller-Lutz 17/12/2015 22:46
Auf dem Bild ist eine junge Frau zu sehen, welche einen Stacheldrahtzaun um ihren Kopf herum trägt. Der Blick der Frau ist sehr klar.In diesem High-key Bild fallen besonders die dunklen Elemente ins Auge. Dazu gehören der Stacheldrahtzaun, die Augen sowie der Mund. Von diesen Elementen liegen nur 2 Elemente ganz bzw. teilweise im Schärfebereich des Bildes: Die Augen und der Stacheldrahtzaun, wobei letzterer nur an wenigen Stellen scharf ist. Dadurch wird dem Betrachter der Fokus des Bildes klar. Unterstützt wird dies noch durch den Titel des Bildes „Gefangen im eigenen Kopf“, wodurch auch die Bedeutung des Zauns klar wird.
Durch die Betonung des Stacheldrahtzauns (dunkle Darstellung im High-key Bild) rückt die Dame im Bild eine Ebene nach hinten. Sie ist „blockiert“ durch den Stacheldrahtzaun, oder – wie es im Titel heißt – gefangen.
Es sieht so aus, als ob der Stacheldrahtzaun wie ein Heiligenkranz um den Kopf liegt. Eine Auffälligkeit hierbei ist, dass man nicht erkennen kann, dass der Zaun auch hinter den Kopf geht (rechts im Bild vom Kopf hört der Zaun plötzlich auf und reicht nicht bis zum Hinterkopf). Hier fragt man sich, wie die Aufnahme entstanden ist.
Insgesamt passen Bildgestaltung, Technik und Nachbearbeitung sehr gut zusammen und die Bildaussage wird deutlich. Die Schlüsselbeinkochen stechen sehr deutlich hervor, wodurch das Model ein wenig abgemagert aussieht. Gut zur Bildaussage passt aber die Anspannung der Muskeln und Sehnen im Halsbereich.
Bei dem Bild ist besonders gut die Bildaussage der Gefangenschaft im eigenen Kopf gelungen. Dies ist dadurch gelungen, dass der Kopf „eingezäunt“ ist und die junge Frau eine angespannte Körperhaltung hat.
Hauptverbesserungsvorschlag liegt in einer besseren Darstellung des Stacheldrahtzauns.
Insgesamt wirkt das Bild sehr stimmig.
Clara Hase 17/12/2015 19:17
bei meiner Recherche über Sinn und Symbol von Stacheldraht, Dornenkrone (die Maria) kam mir Jesus auch vor Augen - die Dornenkrone löste den ursprünglichen Loorbeerkranz ab -Leiden tat er ja erst am Kreuz - insofern war er nicht relevant für s Foto hier
bliebe noch die willige oder unwillige Frau - da hat sich ja auch etwas verändert.
belasse ich s mal bei einem technisch gut gemachtem foto - wo die Logik mit dem Stacheldraht von den Gedanken des Fotografen nicht ganz stimmig ist
hätten wir sie nicht gekannt, seine Absichten können die anderen Betrachter sich einen ausgrübeln.
Auch Dornröschen ist kein passender Name - denn Dornröschen war auch gefangen im ewigen Schlaf so dass die Rosenhecke wachsen konnte - schön war sie wohl - aber von aussen gefangen - nicht von innen durch sich selbst.
auch von aussen "befreit" worden - also alles nix mit sich selbst im Wege stehen.
marslicht 16/12/2015 18:16
Ein diskussionswürdiges Bild, welches, so denke ich, techn. Gut gemacht ist. Ich halte es auch als Portrait nicht für überarbeitet. Hautstruktur finde Ich im Bereich der Augen und auch um die Nase noch gut erkennbar.Ich finde Sie einen leicht traurigen und etwas zurückhaltenden Gesichtsausdruck. Zusammen mit der Dornenkrone geht für mich die Bildaussage eher in Richtung: bleib aus meinen Kopf, bleib Du von mir Fern.
Grüsse
marslicht 15/12/2015 23:43
Ich habe jetzt das erste mal richtig hier bei diesem Bild reingeschaut, und ohne etwas zu lesen war mein erster Gedanke der von einem weiblichen Jesus.Werde noch mal einen neuen Versuch starten,
Grüsse
shinkotora 15/12/2015 12:54
@Rüdiger Hartung: Der Witz/die Anekdote wurde am 12.12. um 19:12 gepostet :-)Ivan Katzer 15/12/2015 10:36
@twelve-pictures@Rüdiger Hartung
Der Autor meint in der Tat uns selbst als "im Kopf gefangen", denn das ist genau das, was er im Eingangspost schreibt.
"Der Stacheldraht am Kopf signalisiert die Verletzlichkeit der Seele
oder zeigt wie sehr wir im eigenen Kopf gefangen sind."
Für mich ergibt das Bild nur Sinn, wenn das Model als eine Art Projektion unserer selbst zu verstehen ist. Fast wie ein Spiegel (das würde auch den oft bemängelten, fehlenden Charakter erklären). Das Modell sieht auf dem Bild wie ein ungeschriebenes Blatt aus, wie ein Rohling.
Wir sollen uns Quasi in dieser Figur wiedererkennen.
Vielleicht ist der sich in den Augen spiegelnde Fotograph Absicht und soll für uns selbst stehen (würde ich aber anzweifeln, weil es nicht so gut zur Geltung kommt).
Durch den EP wird der Blick auf den Stacheldraht gedrängt, der aber, meiner Ansicht nach, die Wirkung verfehlt.
Ich finde es ist eine technisch gelungene Aufnahme. Inhaltstechnisch aber eher nicht so gut (für mich bleibt es auch nach mehrmaligen Ansehen ein unbeschriebenes Blatt)
Ohne den Titel und die Erklärung aus dem EP, würde es mir überhaupt nicht einfallen, das Bild als "gefangen im Kopf" oder ähnliches zu interpretieren.
Ivan Katzer 14/12/2015 19:27
Na ja, da der Autor den Stacheldraht selbst als Symbol für Verletzlichkeit beschreibt, so denke ich schon, dass er eine "quälende" Gefangenschaft meint.Ich finde außerdem nicht, dass eine eigene Sicht auf etwas mit einem Klischee zu vergleichen ist. Es wäre höchstens mit Vorurteilen zu vergleichen, das trifft hier aber, meiner Ansicht nach, nicht zu.
Ohne einen gewissen Erfahrungswert, den wir uns über die Jahre aufgebaut haben, könnten wir überhaupt nichts interpretieren und könnten demnach das Bild überhaupt nicht auf uns wirken lassen.
Zumal, wenn der Photograph eine eigene Interpretation von "gefangen sein" hat als in unserer Kultur üblich ist, dann muss er das deutlich machen.
Dafür sehe ich keine Anhaltspunkte.
twelve_pictures 14/12/2015 18:31
Was wäre, wenn der Bildautor gar nicht die hier so oft zitierte quälende Gefangenschaft meint?Wie müsste das Bild aussehen wenn er (oder sie) unsere Vorurteile, Klischees, eingebrannte Sichtweisen, vorgefertigte Meinungen und Bilder meint, die sich in unseren eigene Köpfen befinden und mit denen wir immer wieder unsere Welt interpretieren und beurteilen?
Wir, die wir uns nicht frei machen können für eine unvoreingenommene Sicht auf die Dinge oder vielleicht auch ein Bild, gehen wir mit schmerzverzerrtem Gesicht einher?
Schauen wir gequält in die Welt?
Wohl eher nicht.
Wir schauen offen, Selbstbewusst und entspannt in die Welt und sind überzeugt davon, dass unsere Meinung die einzig richtige ist.
Wir schauen so, wie diese Frau hier auf dem Bild schaut und wir nehemen den Stacheldraht um unseren Kopf genauso wenig wahr wie diese Frau im Bild.
Somit scheint mir das Bild durchaus stimmig.
Jedenfalls nehme ich das mit den "in meinem Kopf gefangenen Bildern" so wahr.
shinkotora 14/12/2015 14:25
Mal wieder eine wirklich spannende und mannigfaltige Diskussion, die sich da entsponnen hat...Also auf mich macht das Model keinen verletzlichen Eindruck; ich sehe vielmehr den Versuch einer mit der FP vorher verabredeten Intention in die Kamera zu blicken. Nun ist es ja nicht allzu schwer, starke Emotionen wie Wut, Ekel oder Freude zu mimen, aber wenn es um so subtile Empfindungen wie Trauer oder Unbehaglichkeit geht, wird die Sache schon schwieriger.
Die Assoziation mit Parfüm-Werbung finde ich recht naheliegend, aber eher weil Unnahbarkeit und Stärke von dem Model ausgehen mit einer Prise "Resignation" ~ bis auf letzteres also Dinge, die ein Werber durchaus bedienen wollen könnte im Sinne von "Mit unserem Parfüm werden sie als starke und begehrenswerte Persönlichkeit empfunden werden ohne als reines Sexobjekt zu gelten". Hierzu wäre mal ein Werbepsychologe in der Runde nützlich...
Wie etliche andere finde auch ich das Bild für sich genommen gut und interessant, aber es gelingt mir nicht, es mit dem Titel und der angegebenen Intention in Einklang zu bringen.
Und so bleibe ich dabei: die Rolle der im eigenen Kopf gefangenen Person ist für mein Empfinden falsch besetzt; aber vor allem, weil ich dem Model die Verletzlichkeit der Seele nicht abnehme.
PS: Das Startseitenphoto von heute 14:00 zeigt meines Erachtens eine verletzliche Person. Zusammen mit dem unbedingt halb offen sperrenden Mund verkörpert es all das, was ich in der Modelphotographie ablehne; immerhin läßt es in bezug auf die jüngeren Diskussionsbeiträge eine schöne Gegenüberstellung zum aktuellen Bild zu.
Clara Hase 14/12/2015 12:15
Micha - würdest du sagen, der fotograf projiziert etwas auf sein Model?Wenn ich an die Parfümwerbung denke, dann ist ein Duft da ebenso flüchtig wie das zarte einer Frau wie sie dargestellt sein sollte.
Nichts desto trotz soll es Männer geben die auf das Kindchen stehen - und leider die Verletzung erst auslösen. (nicht als Fotograf - der sollte sich tunlichst davon befreien bzw den notwendigen Abstand halten - aber in der freien Wildbahn) Heikles Thema.
Gefangen im Kopf wäre dann er.
Und Frau auf die Verletzlichkeit, bzw deren weiterem Gefühlsleben zu reduzieren, das wäre ja nun so gar nichts für de Arbeitsmarkt, oder als Hausmutter zu gebrauchen, welche dem arbeitendem Mann den Rücken freihält für den Kampf im Alltag.
Insofern gibt es evtl auch die Ablehnung derart "verzückter" Portraits, weil sie mit dem Leben und den Personen nicht das mindeste gemein haben, sondern eher eine Traumvorstellung oder ein Märchen transportieren, die aber nicht lebbar sind. eine Sehnsucht wirds sein, nach einer Welt die es nicht gibt.
hm, noch mal den Thread gelesen - also die Migräne passt mir auch sehr gut dazu - dann ist Mensch in sich und zurückgezogen in seinem Schmerz - dargestellt durch Stacheldraht?
shinkotora 13/12/2015 19:41
@Rüdiger Hartung: Jaa... manchmal verfalle ich schon in Extreme... und hier hatte ich gerade Aguirre vor Augen wie er das kleine Äffchen "hält" ;-)Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr vermisse ich Persönlichkeit beim abgebildeten Model. Dieser Mangel ist genau richtig für futuristische von Emotion freie Motive - und vor allem erzeugt dies bei mir eine Form der Unnahbarkeit ~ gerade in der Form wie es aktuell von der Parfümwerbung besetzt ist. Für das Anliegen der FP ("Photoschaffende Person" - hab in jüngerer Zeit mal wieder "Das Boot" geschaut...) hingegen finde ich es nachgerade unglücklich.