#44/2024
Willkommen zu Agora - Bilddiskussion intensiv
Wir freuen uns, dass Du Dich intensiver mit diesem Foto auseinandersetzen möchtest.
Bei Agora liegt der Schwerpunkt auf der Wahrnehmung und Interpretation des Fotos
- NICHT in dessen Bewertung -
Es handelt sich bei diesem Bild um eine Fotografie
~.~.~.~
Diese Leitfragen können Dir dabei helfen, in die Welt des AGORA-Fotos einzutauchen
1. Was nehme ich wahr? (analytisch)
2. Wie interagieren die verschiedenen Elemente im Bild? (analytisch)
3. Welche emotionale Wirkung entfaltet sich bei mir? (emotional)
4. Welche Botschaft, welche Bildaussage, welche Geschichte erkenne ich? (Interpretation)
~.~.~.~
Auf diese Weise erhältst Du die Möglichkeit, ein Foto eingehend zu erforschen und (möglicherweise) faszinierende und neue Aspekte zu entdecken, die Deine Fotografie auf ein neues Level heben können. Gleichzeitig erfahren die Bildautoren, welche anderen Interpretationen des Fotos existieren. Sie entdecken neue Blickwinkel und können so über ihr Foto und dessen Entstehung nachdenken.
*** Wichtig ***
Wir bitten Dich darum, die Anmerkungen auf das Foto zu fokussieren und um Beachtung unserer Gemeinschaftsstandards:
https://www.fotocommunity.de/standards#miteinander
*Kommentare, die nichts zur inhaltlichen Diskussion des Bildes beitragen, Fragen zum Prozess, destruktive, bewertende und/oder verletzende Anmerkungen, werden von den TeilnehmerInnen u. LeserInnen gemeldet und durch die fotocommunity Administration geprüft und ggf. geahndet *
Um Dein eigenes, bisher unveröffentlichtes Bild in Agora zu präsentieren, bitte nutze diesen Link:
https://fotoschule.fotocommunity.de/agora/
Michael Menz Il y a 14 heures
Eine seitliche Fassade eines Hauses, mit Erdgeschoss, 1 Etage und Dachboden. Das Haus wurde bereits mehrfach gestrichen, wie es die unregelmäßige Farbabgrenzung knapp oberhalb des Etagenfensters vermuten lässt. Zuletzt also eine Farbe im helleren Bereich zwischen dem Weiß der Fensterrahmen und dem (mutmaßlich) Schwarz der Kunstapplikationen auf der Fassade.Links eine stilisierte Grafik eines Fotografen, den ich vom Style her in die 70er/80er Jahre verorten würde. Evtl. eine Reminiszenz, die sich mit der Biografie des Grafikers/der Grafikerin erklärt.
Um die Fenster herum nun eine willkürlich erscheinende, schwarze, Rahmenkette. Nach meinem Blick sind die Innenrahmen annähern so groß wie die Fensterahmen, welches sowohl die Assoziation „zusätzliche Fenster“, als auch „Bilderrahmen für Fotografie“ zulässt. Auffällig hier eine fehlende Ecke bei den Rahmen zwischen den beiden großen Fenstern. Da eine Vorzeichnung zu sehen ist, denke ich nicht, dass hier ein Plan vorliegt, sondern dass das Teil schlicht abgeblättert ist. Aufgrund der Position der Rahmen, die in die Fensterrahmenblenden hineinzuragen scheinen, denke ich auch, dass diese nicht gemalt, sondern eingeklebt wurden. Evtl. ist die Grafik links erst etwas später entstanden und eine Korrektur der fehlenden Rahmenecke wurde dann schlicht vergessen.
Im Vordergrund eine Rasenfläche und ein gepflasterter Weg. Links vom Haus undefiniertes Buschwerk und ein Hausdach in der Ferne. Ein haushoher Baum links, eine Straßenlaterne rechts bilden den Rahmen für das anvisierte Haus. Von oben links gab es hartes Sonnenlicht. Hätte sich der Fotograf in den Hausschatten gestellt, wäre der Winkel ungünstig für eine Übersichtsfotografie. So wahrscheinlich dann der Kompromiss im Baumschatten stehend zu fotografieren, um damit hereinragende Äste und ein abgeschnittenes Hausdach hinzunehmen und gleichzeitig möglichst viel drauf zu bekommen.
Das Bild wurde rechts ausgerichtet, so dass die Laterne und die dahinter zu sehenden Gebäudeteile gerade erscheinen. Nach links aufsteigend, evtl. vor Ort auch tatsächlich ein leichtes Gefälle, alle Linien schräg anmutend. Wahrscheinlich weitwinklig aufgenommen und insofern ein Kompromiss, dass eine komplette Entzerrung irgendwann allzu künstlich aussehen könnte.
Der Habitus des stilisierten Fotografen wiederum wirkt auf mich künstlich. Zeitlos und irgendwie doch auch aus der Zeit gefallen. Für eine moderne Version des Themas, hätte der Mann ein Smartphone in der Hand halten können. Empathie für Bild und mögliches Motiv zur Bilderstellung habe ich dennoch. Als vorbeischlendernder Mensch mit „Bilderfassungsgerät“ hätte ich sehr wahrscheinlich auch zurück fotografiert. Ich erinnere mich da an eine kleine Tour über den Ohlsdorfer Friedhof. Ein Grabstein mit Bronzeapplikation einer Kamera. Das musste auf meine Speicherkarte. Später noch den Namen gegoogelt und etwas über die verstorbene Person erfahren.
Könnte man über das gesehene hinaus auch mit diesem Ort machen. Ein, wahrscheinlich, Reihenhaus der 60er Jahre und früher. Wann wurde es „verschönert“?. War es eine individuelle Maßnahme, oder ein struktureller Plan? Wer war der Streetart-Künstler/Künstlerin, mit welchem künstlerischen Input?
„Auflösung“ hoffentlich später.
Clara Hase 27/11/2024 22:11
das Foto sagt mir: Leute - haltet Abstand- hier wird nicht IN die Fenster fotografiert - hier wird aus den Fenstern fotografiert. Macht euch vom Acker. Andernfalls fallen die Rahmen aus der Wand - euch hinterher.Böten schape ist das da alles.
Abgelegener Standort mit Gartenzutritt. Industriegebiet evtl.
togilsaram 27/11/2024 15:46
Als Freund der Farbfotografie stimme ich S/W-Umwandlungen nur in seltenen Fällen zu. Hier sehe ich keinen tieferen Sinn für den Einsatz von S/W. Die sowieso monochrome Hauswand hätte durch seitliche farbige Elemente wahrscheinlich noch auffälliger gewirkt. Ich hätte dieses Foto sicherlich gar nicht gemacht. Es erinnert mich an meine lange zurückliegende Zeit in der Druckindustrie als Farbfotos aufwendig und teuer in der Produktion waren und man deshalb gerne einfarbige Illustrationen einsetzte.Vielleicht wohnt ein (älterer) Hobbyfotograf in dem Haus? Ansonsten fällt mir kein Grund ein warum man seine Hauswand so gestalten sollte. Befindet sich in dem Haus gar ein Fotostudio sollte es dieses altbackene Motiv durch ein moderneres Sujet ersetzen.
Matthias von Schramm hat es passend zusammengefasst: „So ein Bild muss nicht begeistern, löst aber … zumindest ein stummes Kopfnicken (aus)“.
Gerhard Körsgen 27/11/2024 11:02
Irgendwo habe ich das schon mal gesehen, also nicht genau dieses Foto, aber das Motiv, die Hauswand mit dem Fotografen und den Rahmen die exakt die gleiche Größe wie die Fenster haben.MIch spricht das spontan an und ich musste sogleich leicht schmunzeln als ich es sah: Hier wird "scharf geschossen", sozusagen in doppelter Hinsicht, und da ich selbst öfters als streetfotograf unterwegs bin kenne ich meinen Reflex, wenn jemand fotografisch "auf mich zielt" sogleich meine eigene Kamera zu heben und symbolisch oder auch tatsächlich "zurückzuschiessen" nur zu gut ;-)
Von daher ist mir auch die leicht "schiefe" Ausrichtung sehr geläufig, als hätte der/diejenige den gleichen Reflex gehabt wie ich und wir sähen hier das Ergebnis.
Um dem Hauptmotiv, dem akribisch und "seriös" fotografierenden Mann eine auch programmatisch "passende Antwort" zu geben ist das Unperfekte der Ausrichtung dieser Aufnahme im Grunde die ideale Erwiederung.
Als angenehm allegorisch empfinde ich auch dass es quasi eine "Gegenlichtaufnahme" ist, derjenige dem man entgegnend begegnet daher gefühlt "noch hinterhältiger" agiert wobei auch bei mir sowas wie ein "Agentenfeeling" aufkommt.
Im Prinzip ist diese so ganz offensichtliche Haltung gefühlt für viele eine mehr oder weniger deutliche "Kampfansage" weil zeitgeistig Fotografie leider längst negativ konnotiert ist.
Bei mir kommt das allerdings sehr gut an !
Eine Fotografie die einen spielerisch darauf zurückwirft selbst fotografiert zu werden, sozusagen "Kontrollverlust zuzulassen".
Gefällt mir ausgesprochen gut.
Danke für s Zeigen.
Matthias von Schramm 27/11/2024 8:56
Manchmal braucht es nicht viel an grafischen Elementen, damit ein Foto mit einer gewissen "visuellen Logik" entsteht. So ein Bild muss nicht begeistern, löst aber bei mir bis zu einem gewissen Grad eine bestimmte Faszination aus, zumindest ein stummes Kopfnicken. Dabei ist der scheinbar offensichtliche Eyecatcher - der aufgemalte Schattenriss eines Fotografen, zunächst nur Nebensache. Der von oben links reinragende mit Blättern versehene Teil eines Baumes, setzt sich wie Trauben in der Grafik der Vierecke fort, sowohl als Dekoration an der Wand, als auch als echte Fenster und er verlässt sinnbildlich die Hauswand wieder unten rechts. Daneben steht eine Laternenpfahlausrichtung, links vom Haus der Stamm des besagten Baumes. Links sind Haus und Baum unten von Schattenlinien begleitet, also von Begrenzungen der Fassaden und "Hüllen". Vereinfacht gesagt rechts Schatten und links das Licht.Das Haus selbst hat eine einfache Form. Den Giebel oben kann man bequem zu Ende denken, dieser läuft mittig zu und braucht nach logischen Vorstellungen nichts aufs Bild, höchstens nach einer Ästhetik, die ich nicht verfolgen würde. Da es für mich keine Architekturaufnahme ist, sondern eine die gegebene Linien und Flächen verfolgt, ist mir ein Begradigen als Option nicht wichtig. Nun doch zum Fotografen auf dem Graffito.
Im Gegensatz zu mir fotografiert er klassisch mit dem "richtigen" Auge. Bei der SLR wurde es wurscht, ob man bei einem mittigen Sucher das rechte oder linke Auge verwendet, bei einer Messsucherkamera drücke ich mir immer mit links die Nase platt. Es geht zwar auch mit rechts, aber Jahrzehnte lange Gewöhnung ...
Die klassisch aussehende Kamera erinnert an die Modelle der 1970er Jahre, spontan habe ich an eine Minolta SRT oder X oder sowas gedacht. Es gibt aber etliche ähnlich aussehende Modelle, selbst in der Neuzeit im Retrolook.
Der Typ hat für mich etwas von einem Agenten. Gewisse Spionagefilme aus der Zeit des "kalten Krieges" fielen mir ein. Seine vorbildliche Handhaltung als Fotograf, seine sehr großen Hände und sein Hemdkragen mit Krawatte fallen mir auf. Dieser Schattenriss wirkt wie ein bemüht cooles Tattoo, welches sich nicht erklärt und vielleicht auch gar nicht erklären will. Es soll wohl etwas Dekoratives haben. In der bildnerischen Darstellung von Dingen, die man in Richtung "Kunst" auf Grund seiner geistigen und räumlichen Umgebung auffindet, braucht der Kunde komischerweise bei der Abstraktion oft eine Erklärung, bei der dekorativen Darstellung weniger. Und dies, obwohl die Frage nahe liegt: Warum da dieser fotografierende Mann auf der Hauswand?"
Bevor es den Trend der Fassadenmalerei gab, wurde in den 1950er und 1960er Jahren nicht selten das Innere eines Hauses mit Malereien statt Tapeten versehen, findet man oft in Häusern aus dieser Zeit, wenn man die Häuser ausräumt und entkernt. Man war damit dezenter und privater.
Insofern auch ohne den Fotografen auf der Fassade ein sehr interessantes monochrom gehaltenes Foto für mich.
framebyframe 26/11/2024 13:04
Achtung: Fotofalle ! Surreal könnte man das Bild ausbauen bei Überbetonung des schräg von links einfallenden Sonnenlichts, der tumben Laterne und dem Baum, der mit der Laterne sowas wie Abgrenzungen einer Bühne bildet. Hier gehts aber zuerst um herabstürzende Fensterrahmen oder schwarze Rechtecke, die zufällig die Form der sich an dieser Hauswand befindlichen Fenster haben. In einer Kaskade stürzen diese die Hauswand hinab, mal kurz überlappend, um sich dann etwas schräg der rechten unteren Ecke der Hauswand zu nähern. Von wo die Rahmen herkommen wird oben abgeschnitten. Das brauchts nicht, denn es sollten keine Dreiecke wie etwa vom Dach die Symmetrie stören. Aber was könnte sich im unteren Fenster, also eines der richtigen spiegeln? Hier sucht man vergeblich den schelmigen Fotografen, das bringt nicht weiter. Aber gewißermaßen als Clou muss man nach dem man die Fenster gezählt hat erkennen, dass man in eine Fotofalle gelaufen ist, denn der Fotograf mit der Kamera in klassischer Haltung, hält voll auf den Betrachter, der sich unvermittelt als Objekt sehen muss. Interessanterweise korrespondiert die schräge Kopfhaltung des Kameramanns mit der Schräge des Fensters rechts. Ein lustiges Bild, je nach dem was zuerst auf der Wand war. Gerne könnte man den Effekt des Ertapptwerdens mit zusätzlicher Bearbeitung forcieren.mahu01 26/11/2024 10:16
Bei diesem Bild waren Spontaneität und Idee mächtiger als Gestaltungs- und Bearbeitungswille.Haus leicht schräg – Wand links schräg. Da eher formbetont und im Gegenlicht, scheint mir die S/W Interpretation sachlogisch korrekt zu sein.
Ein Framing kann ausgemacht werden – aber nicht wirklich sauber (oberes Fenster).
Ein interessanter Schnappschuss, der vom gemalten Fotografen der Wand geprägt ist, aber m.E. leider nicht mehr.
N. Nescio 26/11/2024 2:59
Das ist kein Haus. Auch kein Baum oder Leuchtpfahl.Das ist ein rahmenloses Bild, wsl fotografisch erstellt in monotoner Farbgebung.
In Bezug zum Bildrand gibt es Linien und Flächen. Deren sind einige gerade, andere schiefe und wieder andere gekrümmte. Rechts ist der Bereich der lotrechten Geraden und Kanten, etwas gebrochen durch Unregelmäßigkeiten der rechts abgebildeten Hecke und ganz oben die Simsschräge. Oben angeschnittene Dachschrägen, herunterreichende Baumblätter, deren einige sonnenbeleuchtet sind. Links ein zierliches Bäumchen im Hintergrund, davor der schäge, gekrümmte, natürlich gewachsene Baumstamm und dann die leicht geneigte Hauskante. Unten der schräge durch Lichteinfall beleuchtete Wiesenabschnitt, der durch Bodenunebenheiten in Baumstammnähe einen Dreieckseindruck erzeugt. An diesen anschließend der beschatttete Bodenteil, wo auch nichts waagrecht abgebildet ist. Dahinter ein befestigter Weg und hinter diesem das schräg abgebildete aus dem Boden ragende Hausfundament samt Kellerfenstern. In halber Haushöhe erkennt man schwach, daß der Fasadenmaler den unteren Teil der Wand leicht unterschiedlich gefärbelt hat ... wahrscheinlich reichte der Stiel der Malerrolle nicht höher und für den oberen Teil wurde wohl ein Gerüst oder Leiter benutzt - so zerfällt die Hauswand in zwei unterschiedlich bemalte Flächen. Nahe der rechten unteren WandEcke ist ein ca. 15 cm großes Rechteckiges Fensterchen. Auf der Wand sind drei große, weiße Fenster, wobei sich im Untersten irgendwas spiegelt. Das mittlere Fenster ist ein Fake, also blinder Fensterrahmen - Zugemauert oder Rollo? Jedenfalls kann da in dem Zustand niemand heraussehen. Auch der unten aufgemalte Fotograf kann nicht aus diesem Fenster rausschauen. Der Hausbesitzer hat der durch die Anordnung der weißen Fenster wohl komisch aussehende Fassade durch stilisiert aufgemalte schwarze Fensterrahmen - möglicherweise Bilderrahmen oder ungerahmte Fotos - ein balancierteres Aussehen gegeben und im linken unteren Wandteil einen großen Fotografen aufgemalt.
Das ist also ein Bild mit Haus und Fotgrafen und Bäumen, Hecke, Laternenpfahl und Fenstern in grafischer Anordnung. Ordnung samt Unordnung, Baumaterial und Bemalung, Gras. So angeordnet, wie es der Bildersteller wollte.
Es ist also kein Haus, sondern ein Fotograf im Foto. Der Fotograf ist genauso real, wie das Abbild des Hauses. Wahrscheinlich zeigt des Foto reale dinge. Inwieweit der Fotograf den Bildeindruck durch Bearbeitung am PC noch verfremdet hat, z.b. durch wegstempeln von durch eventuell durch die Luft fliegenden Insekten, weiß man nicht.
Es ist ein gestaltetes bild. Die Gedanken des Footgrafen zu seinem Werk kenne ich nicht, nur meine eigenen.
Danke fürs zeigen.
Und danke Horst F, dessen Kommentar mich dazu brachte, mir das Bild genauer anzusehen, als ich es normalerweise gemacht hätte. Normalerweise wäre ich uninteressiert weitergegangen. So aber, hat es mir gefallen, dieses Spiel mit Objekten und deren Darstellung und in BeziehungSetzung in einem Bild. Wie gesagt: es ist kein Haus, auch kein abgeschnittenes, drum muß es - trotz Bauvorschriften - nicht gerade ins Bild gesetzt sein.. Der gemalte Fotograf ist genauso real wie das Haus - beide leben oder stehen bestimmt irgendwo. Die Welt ist im Kopf und, einen Schritt weiter, sieht sie anders aus. Aber vielleicht sieht es heute bereits ganz anders aus, das Haus :-)
Horst.F 26/11/2024 0:23
1. Das schwarz auf die eintönig helle Fassade gemalte, stilisierte Portrait des Fotografen mit seiner Kamera vor einem Auge scheint sowohl den Betrachter als auch den Fotografen dieses SW-Fotos abzubilden; Leerbilder seiner Aufnahmen sind locker gedreht und schräg teilweise überdeckend über die Fassade von oben nach unten so verteilt, daß die Fenster auch wie leere oder gefüllte Aufnahmen in dieser Reihe erscheinen. Eine Ecke einer Leeraufnahme ist nur blaß (vor)gemalt erkennbar. Es entsteht der Eindruck, daß Wirklichkeit und mögliche Aufnahmen / Malereien ineinander übergehen. Was ist wirklich, was (nur) Aufnahme / Malerei? Worin liegt der Unterschied zwischen Wirklichkeit und Aufnahme / fotografisch / malerisch wiedergegebenener Wirklichkeit? Gibt eine Aufnahme / eine Malerei die Wirklichkeit wirklich wieder? Kann sie das überhaupt? Was gibt sie denn wieder? Worin liegt der Unterschied zwischen Malerei und Fotografie? ...2. Ausgerichtet hat der Fotograf dieses Foto auf den ersten Blick wohl an der rechten Bildkante, links und unten sind von dieser Bezugskante aus weitergedacht und weitergesehen perspektivische Verzerrungen erkennbar, die in ihrer Schräge mit dem schräg gehaltenen Kopf des auf die Fassade gemalten Fotografen, mit dem schief gewachsenen Baumstamm vor der Fassade und mit den gedrehten Leerbildern in ihrer Reihe auf der Fassade harmonieren. Aber auch hinsichtlich der Ausrichtung erwachsen ähnliche Fragen wie schon bei der Art der Bildgebung: Worin liegt hier bei der Ausrichtung des Fotos / der Malerei der inhaltliche Bezug, welche Linien sind hier maßgeblich und Orientierungsmaßstab, und welche sind folgerichtig die schrägen? Wie würde das der Fassadenmaler sehen und deuten, wie der gemalte Fotograf? ...
3. Die Fotovorlage läßt vier Personen in einen Austausch treten, wenn es umfassend betrachtet wird: den Fassadenmaler, den auf die Fassade gemalten Fotografen, den Fotografen der Vorlage und den Betrachter. Jeder von ihnen bringt seine Vorstellung von Wirklichkeit, seine Bildgebung (im Kopf) und seine Deutung ein. Eine Betrachtung, die dieser Fassadenmalerei, dem Foto davon und dem gemalten Fotografen gerecht wird, müßte alle Vorstellungen und Deutungen berücksichtigen und unter einen Hut bringen können. Ist das überhaupt möglich?
4. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Meine unausgereifte und vorläufige Antwort heute und jetzt ist aber Nein. Ich fühle mich dem zumindest nicht gewachsen und versuche es auch nicht.
Daß dieses Foto aber so, wie es aufgenommen und vorgelegt wurde, zu solchen grundlegenden Fragen führt, halte ich schon für eine feine Leistung des Fotografen. Hut ab.
_visual_notes_ 25/11/2024 22:28
Mir fiel spontan Loriots "Das Bild hängt schief" ein, hier steht sogar das ganze Haus schief.Ich sehe das auch so wie @NewLandscape - normalerweise sollte man schiefe Vertikalen in der Bildbearbeitung korrigieren.
Der Fotograf auf der Hauswand sorgt hier vielleicht für einen kurzfristigen Lacher, aber das ist meiner Meinung nach nicht genug für ein "gutes" (interessantes) Foto.
Spannender als den Fotografen finde ich hier die multiplen Fenster. Ein Stück Dekonstruktivismus im banalen Einfamilienhaus, kein "großer Wurf", keine echte Revolte, aber ein kleines Revolutiönchen. Die spießigen Nachbarn hassen es wahrscheinlich.
NewLandscape 25/11/2024 17:36
Das Haus fotografiert zurück.Muss ich als Erstes denken. Es gibt ja unzählige Fotografen, wohl meist Hobbyisten, die Häuser fotografieren und in Foren posten und sich dabei in der Nachfolge der New Topographics wähnen.
Bezeichnend sind bei solchen Fotos oft eine quasi neusachliche, streng architekturfotografische Herangehensweise, um nur ein paar Kriterien zu nennen: vertikale Vertikale, figure to ground, diffuses, gleichmäßiges Allerweltslicht.
Das alles finden wir hier nicht. Die Laterne schneidet sich mit der Hauskante, der Baum verdeckt einen Teil derselben auf der anderen Seite. Wir haben ein „Framing“, einen Rahmen, denn auch oben ragt ein Ast ins Bild und begrenzt den Ausschnitt auf das zentrale Motiv, das Haus mit den Fenstern, den Dekovierecken und dem in SW stilisierten Bild eines Mannes, der sich eine größere Kamera vors Auge hält und offensichtlich gerade abdrückt.
Dabei fallen die strengen Regeln architektonischer Fotografie unter den Tisch. Das Haus ist mitten im Giebel abgeschnitten, steht leicht schief im Bild und ist außerdem noch im Gegenlicht fotografiert.
So gesehen wird das Bild des Fotografen betont. Bild im Bild verweist immer gern auf eine zweite Ebene der Realität. Wie sieht es hier aus? Es ist ein gegenseitiges Shooting, der Fotograf auf der Wand fotografiert dabei mit dem Licht, wie es sich gehört. Und er fotografiert, versteht sich, von der anderen Seite durch den Frame, fast schon ein wenig versteckt, obwohl er offen und gut sichtbar an der Wand prangt.
Diese Fixiertheit des gemalten Fotografen auf seinen Sucher, seine irgendwie typische und dabei entspannte Knipshaltung spiegeln vielleicht dem/der FotografIn seine/ihre eigene Haltung. Selbstbezogen könnte man ja sagen. Da fällt mir sofort der selbstbezogene Anspruch ein, mit dem manche Fotografen im Namen der „Kunst“-„Freiheit“ darauf beharren, fremde Leute ungefragt auf der Straße fotografieren zu dürfen.
So wehren sich das Haus und/oder seine Bewohner, sie knipsen einfach zurück.
PS: (Nachtrag nach den ersten Kommentaren) Ich wollte eigentlich gar keine Diskussion um bestimmte Genres und auch keines davon bashen. Vielmehr finde ich, dass sich das Foto durch die beschriebenen Formalien ja leerem Formalismus entzieht, und dadurch einfach authentisch wirkt.