Mein Vater
Der/Die Fotografin schreibt: “Mein Vater war ein heimlicher Künstler und ich hab es viel zu spät gemerkt. Er hatte seine Phasen wo er gemalt hat, in Öl, mit Kreide und was weiß ich. Und schnitzen konnte er auch. Er hat Orgel gespielt und hunderte Dias geknipst. All das hat er aber aber sehr im Verborgenen gemacht und ein bescheidenes, sehr katholisches Leben geführt, was ich irgendwann sehr abgelehnt habe und uns viel Disput einbrachte.
Eines seiner Dias aber zog mich irgendwie magisch an und hat wahrscheinlich in mir die Liebe zur Fotografie geweckt. Es war das Bild eines einsamen Fahrrades auf einer Sandbank in Langeoog. Man sah nur das Rad, den Sand und das Meer dahinter.
Ich hatte mir vorgenommen, dieses Bild irgendwann nach zu fotografieren, habs aber nie gemacht.
Zumindest nie bewußt.
Hier bin ich gerade nach einer Autofahrt durch die Nacht, an meinem Urlaubsort angekommen. Es hat geregnet und es war kühl. Das Haus war noch nicht frei und ich musste mich bewegen, weil ich zu überdreht zum Schlafen war. Hab mir das Rad geschnappt und bin im Regen runter zum Strand und hab ein wenig fotografiert, um mir die Zeit zu vertreiben.
Später fiel mir dann auf, dass ich, ohne es zu wollen, doch auf den Spuren meines Vaters war.
Schon verrückt, wie die Dinge weitergereicht werden. Und immer dabei, das Meer, das gewaltige.”
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Commentaire
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Agora 3.0 - Bildbesprechung intensiv 29/08/2021 9:13
Die Diskussion hier ist nun beendet.Agora wird hier fortgesetzt:
Agora 3.0 - Bildbesprechung intensiv 29/08/2021 9:12
The Great Potoo schreibt: “Vielen herzlichen Dank für eure zahlreichen Kommentare, und dass ihr euch so intensiv mit dem Bild beschäftigt habt.Leider schaffe ich es nicht auf alle der zahlreichen Bemerkungen konkret einzugehen, bin schon auch ein wenig überwältigt von der Resonanz.
Wegen des Textes war, und bin ich selbst gespalten, habe mich dann aber entschieden, diesen beizufügen, da Bilder für mich häufig mit Texten, oder Musik verbunden sind und ich das schlecht trennen kann. Mit Titeln tue ich mich indes schwer, und meist dauert es eine gewisse Zeit, bis mir etwas einfällt, mit dem ich zufrieden bin. Hier bin ich es nicht, ja der Titel ist zu sperrig, ein paar Sternchen hätten gereicht.
Dieses Foto zu wählen, war mir nach kurzer Überlegung jedoch schnell klar. Hier sprechen wir zumeist darüber, wie wir etwas fotografieren, meine Intention war, darüber nachzudenken, warum wir etwas fotografieren, und habe versucht, mit dem Text den Focus darauf zu verlagern.
Die Wahl fiel auf dieses Foto, weil die Umstände eben besonders waren. Ich war da schon gut 24 Stunden auf den Beinen, hatte eine Nachtfahrt von rund 9 Stunden, inclusive kennen lernen, eines sehr kommunikativen Mietwagens hinter mir, und war glücklich an meinem Ziel angelangt. Ich mache das jedes Jahr so, genieße lieber den beginnenden Tag vor Ort, als mit der Herde den Vormittag im Stau auf der Autobahn zu verbringen. Ich liebe auch zu dieser frühen Stunde den Ort erst einmal für mich allein zu haben.
Das Ziel begrüßte mich diesmal eben mit Regen, und einer Baustelle. Der sonst so piekfeine Ort, hatte seine Alltagskleidung angelegt. Dass es hier mal regnet, ist hingegen nicht unüblich. Da hat sich nichts gegen mich verschworen. Es war ein Moment großer Zufriedenheit, voller Glück und Klarheit, der Platz ließ, für ein sehr tiefes Empfinden, der Farben, der Geräusche, des Geruchs, all dessen, was einen umgibt.
Die Einordnung in die Sektion „Gleichmut“ haben die Kollegen der Agora vorgenommen, ich finde das durchaus passend.
Tristesse? Ach, vielleicht ein Hauch Melancholie, aber jene, der angenehmsten Art. Das Experimentieren mit Farben und Formen, die Suche nach Beziehungen der Objekte zueinander war wohl der Antrieb, nach dem ersten Durchatmen auch zu fotografieren. Besser kann ich es gerade nicht beschreiben. Mein Zugang dazu ist ein emotionaler, kein intellektueller, vielleicht auch einer der Gründe dafür, dass ich bislang hier nie selbst ein Bild in Agora kommentiert habe.
Die Verbindung zum Dia meines Vaters habe ich erst später entdeckt, es gibt auch keine Ambitionen dieses Dia irgendwann nachzustellen. Das Dia ist als Kindheitserinnerung im Kopf abgespeichert, bedarf keiner Wiederholung, keiner Rekonstruktion, aber vielleicht einer Weiterführung. Es ist wohl lediglich meine Initialzündung, mich selber dem Fotografieren zu widmen. Dies regte mich an, darüber zu sinnieren, wie das so ist mit den Dingen, die uns im Leben antreiben, und wie wir diese weiterführen.
Welche Gründe sind es, die uns dazu treiben, zu fotografieren? Das Konservieren eines Augenblicks zur Erinnerung, die Schöpfung einer idealen Welt, das Streben, es einem Vorbild gleich zu tun, oder das Verlangen nach Bestätigung?
Was die Gestaltung des Bildes angeht, habe ich das Rad nicht arrangiert. Ich hatte es dort abgestellt, den Moment genossen, und erst später zur Kamera gegriffen. Eines war dann aber klar, der Pfosten musste mit drauf. Es wäre für mich definitiv falsch gewesen, das Rad umzustellen, oder zu schauen, wie man die Szene anders arrangieren kann, um ein, nach irgendwelchen Regeln perfektes Bild zu schaffen. Hätte ich ein wenig nach rechts geschwenkt, wäre noch ein, dort ausgestellter, historischer Kutter mit aufs Bild gekommen, aber ich wollte tatsächlich nur diesen Ausschnitt so im Bild haben. Den Kutter habe ich schon zu Tode fotografiert, in allen Lichtsituationen. Das Hochformat passt für meinen Geschmack, da sich der Weg zum Meer hier in die Länge zieht. Vorne die Erde, auf der wir uns immer bewegen. Dann kommt ein Graben, der aber mit Leichtigkeit zu überwinden ist, wenn man sich nur traut. Dahinter liegt die Freiheit des Meeres, sogar ein Gefährt liegt bereit, um sich damit über den Horizont hinaus bewegen zu können. Zwar nimmt die Unschärfe nach hinten leicht zu, aber es bleibt konkret genug. Wir haben irgendwo unseren Ursprung, aber mit ein wenig Mut und Geschick, vermögen wir von dieser Basis aus, neues zu entdecken. Aber auch den Farbkontrast der pastelligen Umgebung zum Poller und der dünnen, roten Linie, empfand ich als reizvoll, ebenso, dass der Horizont nicht auf den letzten Millimeter ausgerichtet ist. Wegen der Knallfarbe muss ich mal schauen. Ich habe einen neuen Rechner, und da ist noch nicht alles optimal eingestellt. Je nach Monitor ist das Rot schon extrem. Fotobücher schrieb von dem Blau des Schutzblechs. Die Bemerkung fiel mir auf, weil ich dieses Rad tatsächlich auch wegen dieses Farbkleckses sehr mochte, und sich das hier auch sehr schön einfügt.
Tschechow beschreibt, in seiner Erzählung Krankenzimmer Nr6, den Wunsch eines Menschen, das Leben zunächst grob zu skizzieren, um es dann noch einmal zu leben, sozusagen, ins „Reine“ zu schreiben.
Dieser Wunsch bleibt uns im realen Leben verwehrt. Vielleicht entspringt diesem Gedanken oft unser Bestreben, auf Bildern eine perfekte Welt zu schaffen. Bei Fotos haben wir die Gelegenheit, die Welt in Schönschrift abzubilden, ein Ideal zu schaffen, dass wir vielleicht ersehnen. Sicher hat das auch eine Berechtigung, ist ein nachvollziehbarer Ansatz.
Meine Sicht ist eben meist eine andere, ich skizziere, was ich vorfinde, suche auch dort nach Harmonien, aber ich versuche mit den Dingen so umzugehen, wie ich sie vorfinde, und habe vielleicht auch ein anderes Empfinden für Schönheit und Harmonie, als allgemein propagiert wird. Daher gehören auch solche vermeintlichen Störelemente für mich eben dazu, auch ist unser Blick nicht immer ein, mit der Wasserwaage ausgerichteter.
Das bedeutet aber im Gegenzug selbstverständlich nicht, dass nun jeder Baustellenpylon im Museum landen müsse, das ist mir dann doch zu polemisch. So sah es dort halt gerade aus, und ich finde es sogar tatsächlich schön. Ich kenne diese Stelle schon seit über 30 Jahren, hatte allerdings niemals ansatzweise die Assoziation, es könne sich um einen Müllbeutel handeln. Bemerkenswert fand ich auch, dass in einem Beitrag das Auslassen von standarisierter Schönheit, mit technischem Unvermögen gleichgesetzt wird. Ist es so schwer, sich vorzustellen, dass man sich bisweilen von Zwängen befreit, und spielerisch improvisiert, und dies nicht geschieht, weil man technisch zu Anderem nicht in der Lage wäre? Technik ist für mich kein Ziel, ich hatte sogar vor Jahren mal eine kurze HDR Phase, aber es brachte mir nichts, ich fand es langweilig, nicht herausfordernd. Es beglückt mich nicht, ein Stativ mit Getriebeneiger aufzubauen, um technischen Gesetzmäßigkeiten zu entsprechen. Kann man alles lernen, ist auch nicht wirklich schwer, aber für mich nicht erschöpfend. Wenn das jemandem erstrebenswert erscheint, ist das auch OK, nur eben nichts, was mich bewegt. Nicht, weil es mir unmöglich wäre, ein technisch perfektes Bild zu schaffen mache ich so etwas, sondern, weil ich mich frei von Zwängen mache, um Raum für Gefühle zu schaffen, die mir wichtiger sind. Ob das immer gelingt, oder verständlich ist, darf gerne angezweifelt werden, darüber tauschen wir uns ja hier aus. Sich für Intuition zu entscheiden, hat allerdings nichts mit Realsatire zu tun, für mich steckt da viel Ernsthaftigkeit drin, Ruhe und Schönheit. Schade, wenn die Gelassenheit fehlt, dies anzuerkennen. Erstaunlich, mit welcher Vehemenz sich einige hier an etwas abarbeiten, dass ihnen nicht zusagt. Das geschah hier allerdings auch sehr unterschiedlich. Bei Gardin etwa, die ja auch viel schrieb, sehe ich ein tatsächliches Bemühen zu verstehen. Das finde ich respektabel, und habe kein Problem damit, wenn sie trotzdem keinen Zugang findet. Eine so geführte Diskussion empfinde ich als bereichernd, und danke ihr für ihre Beiträge. Bei Anderen wundere ich mich eher, über die fast schon als zwanghaft wahrgenommenen Tendenzen, etwas, das sich ihnen nicht erschließt, mit Sarkasmus zu deklassieren. Nicht die fehlende Akzeptanz, die mangelnde Toleranz ist es, welche verstörend auf mich wirkt. Mir persönlich wäre es nicht die Mühe wert, um eine Sache zu kreisen, die mich nicht wirklich beschäftigt. Allerdings, wenn es mich dann doch so sehr beschäftigt, reihenweise Kommentare zu verfassen, hat es hingegen ja doch etwas ausgelöst. Das ist ein wenig paradox.
Zwänge, ausser eventuell ureigenen, hier zu schreiben gibt es jedenfalls nicht, weshalb ich auch niemandem Zeit gestohlen habe.
Ja, in dem Satz mit dem gewaltigen Meer steckt ein wenig Pathos, aber ich bin tatsächlich immer überwältigt, der Großstadt entflohen, am Meer zu stehen, ist schon ein fast sakraler, überwältigender Moment. Ich gehe das stückweise, in Dosen an. Es gibt noch einen Punkt, etwa eine Stunde Fahrzeit vorher, wo ich traditionell einen kurzen Stopp an einem Fjord einlege. Sozusagen als Teaser für das richtige Meer, das ich bald sehen werde.
Vielleicht noch ein paar Worte zur Aufmerksamkeit / Anerkennung, die auch thematisiert wurde. Selbstverständlich suchen wir alle hier in irgendeiner Weise danach. Allerdings fotografiere ich zum größten Teil für die Schublade, oft muss ich mich sogar erst einmal motivieren, Bilder auch zu veröffentlichen. Applaus ist schön, aber auch trügerisch, es besteht die Gefahr, vom eigentlichen Weg abzukommen, um auf der Sonnenseite zu spazieren. Mit Provokation hat das auch nichts zu tun. Ich kann weder im Bild noch im Text, provokante Elemente entdecken, und verstehe diese Lesart nicht. Es ist mir genüge, wenn einige, wenige etwas mit den Bildern anfangen können. Das erfreut mich selbstverständlich, und einige, der hier Schreibenden, haben ja auch recht gut erahnt, und beschrieben, welche Motivation dem Bild zugrunde liegt. Andere hatten ihre Probleme. Es muss nicht jeder Gefallen daran finden. Es erwartet niemand, dass sich das Bildgefühl jedem erschließt, das kann ich sehr entspannt verkraften. Aber es ist doch schön, hier einen Ort zu haben, und sich darüber auszutauschen, was ja hier reichlich geschehen ist.
Wir können ja eh nur ständig voneinander lernen, uns gegenseitig Impulse geben. Und unabhängig, vom Gefallen, oder nicht, hat es ja offenbar immerhin viele angeregt darüber nachzudenken, und zu schreiben. Das entspricht wohl sehr dem Sinn von Agora.
Nochmals vielen herzlichen Dank, an alle, sorry für die vielen Worte, und vor allem viel Spaß mit dem nächsten Bild.
Und für die Technikfreaks, hier noch die Metadaten
Canon 5 D MK II
Canon EF 24-70 1:2,8 L II
Bel 1/100
f 4
32mm
ISO 400
?
Bearbeitung in Lightroom:
Belichtung + 0,65
Kontrast + 5
Lichter – 23
Tiefen + 15
Weiss + 17
Schwarz – 17
Struktur – 4
Klarheit -2
Dunst entfernen 0
Sättigung 0”
Clara Hase 28/08/2021 14:54
irgendwie habe ich den Eindruck wir sind alle hungrige Hamster die im Rad umherwetzten und sich bald selbst zerfleischen werden.Da wir einander nicht die Qualifikation eines jeden kennen - und genannte herangezogene Vergleiche mit Welt-Bekannten Fotografen kaum kennen - nicht mal wissen od deren Sujet nach dem Tod eingeordnet wurde oder von der Person selbst -
sind zwar unsere Sichtweisen präsent, aber nicht repräsentativ zum heutigen Zeitpunkt.
Wer jedes Foto mit dem hier durchqualmenden Vorbereitung und Planung nebst Durchführung macht, muss das schon als Lebensinhalt, Verdienst ansehen können. Zeit zum Leben bliebe mir dabei nicht. Das ist harte Arbeit. Und doch gibt es verinnerlichtes - was wie das Treten der Pedalen auf einem Rad funktioniert.
Bin gespannt auf die Rückmeldung ( PS des Bildautors).
Michael L. aus K. 27/08/2021 20:36
Wenn ich das Fahrrad sehe, muss ich an unseren Dieter denken- auf der Suche nach dem Street ohne Menschen. Wahrscheinlich ist er aber noch nicht bis zum Meer gekommen.Zum Bild: Ohne die Story zu kennen, kann ich mit dem Titel des Fotos nichts anfangen, kenne ich die Story, brauche ich das Foto nicht.
Ich finde das Meer schön.
Markus A. Bissig 27/08/2021 18:03
Wie immer schaue ich mir die Agora Fotos mehrmals an.Und die erste Sichtung erfolgt konsequent ohne zuerst den Text der Fotografin oder des Fotografen zu lesen.
Schon beim ersten Kontakt mit diesem Bild wurde ich um Jahrzehnte zurückversetzt. Als Jugendlicher war ich auf einer kleineren Insel in Dänemark unterwegs.
Es war unbeschreiblich lässige Zeit um mit dem legendären Interrail durch Europa zu reisen.
Nachdem die Fähre angekommen war lief ich zum Zeltplatz und richtete mich ein.
An der Zeltplatz Reception sah ich ein Werbehinweis für Mietfahrräder.
Super dachte ich und schnappte mir ein solches Fahrrad und fuhr direkt an den Strand.
Genau diese Geschichte kam mir bei der Erstbetrachtung in den Sinn.
Dadurch hat die Fotografie in mir eine sehr angenehme Emotion ausgelöst!
Zur Frage ob es eine gute oder schlechte Fotografie ist?
******* Meine Antwort *****
Eine gute Fotografie muss nicht zwingend eine technisch einwandfreie Fotografie sein!
Heute habe ich nun auch noch den Text der Fotografin oder des Fotografen gelesen.
Eine Antwort darauf erübrigt sich für mich.
Markus aus Graubünden – Schweiz
N. Nescio 27/08/2021 11:55
Hmmm. Mein Vater :-)Die Historie der bildentstehung mit emotionaler Erinnerung ist nur für die bewusst, die sie kennen - ich Blende sie deshalb aus.
Was bleibt:
Ein paar horizontale Parallele Linien, ein paar schräge Parallele Linien und ein paar rechtwinkelige dazu. Das ist schon etwas.
Zwei rote Elemente und entsprechend Sattel und Lenkstange. Das boot als Punkt im dunklen landzungendreieck links oben. Und die erdkrümmung (schiefer Horizont).
Diesiges feuchtwetter - der Radfahrer wahrscheinlich im menschenleeren Meer ertrunken, sonst wär er mitsamt dem Rad bei dem Wetter heimgefahren.
Wer bei so trostloser Situation das Boot ins Wasser lassen will, ist rätselhaft.
Immerhin macht der rote Pfosten glauben, dass jemand an dem strassenstück Interesse hat.
Hmmm. Komponiert ist’s also nicht so schlecht (nicht optimal-perfekt), aber ich wäre da ohne anzuhalten im warmen Auto weitergefahren - bin allerdings kein wetterabgebrühter Seebär.
(Hab keinen der Kommentare der mitschreiber gelesen - das mache ich jetzt)
Ahh, mein Highlight: als erstes hatte ich geschaut, ob das Rad abgesperrt sei :-)
Und: warum schreibe ich den Kommentar, obwohl mich das Bild nicht interessiert?
Pik Sibbe 25/08/2021 21:37
Als ich heute Abend dieses Bild öffnete, löste es schon sentimentale Gedanken bei mir aus, noch bevor ich den Text las. Ein Bild, welches keinen Schönheitspreis gewinnen möchte, sondern einen erst mal runterkommen lässt vom alltäglichen Heckmeck mit all seinen Oberflächlichkeiten. Ein Bild, welches durch den knallorangen Poller u.a. auch wie ein Stoppschild wirkt: Halt mal eben an und höre Dir meine Geschichte dazu an. Sprich, das Bild macht mich neugierig auf den Text und für mich passt das alles gut zusammen.Aber auch ohne Text bliebe ich für eine Weile an dem Bild hängen wegen seiner eher ausgefallenen Gestaltung und nachdenklichen Stimmung, die es auslöst. Ohne Text hätte es mir eine Menge Interpretationsmöglichkeiten gelassen, was der Bildautor damit sagen möchte. Eine Option, der ich durchaus aufgeschlossen wäre, da ich leidenschaftlich gerne Kopfkino spiele ;-).
Über die fertigungstechnische Qualität kann man sicher streiten. Negativ fällt mir aber eigentlich nur der schiefe Horizont auf. Den Schärfeverlauf finde ich sehr gelungen, ebenso den meines Erachtens sehr bewusst gewählten Bildausschnitt, welcher das Boot links noch gerade so und den Poller rechts großzügig und mit voller Absicht einschließt.
Der heftige Farbkontrast des Pollers zu den ansonsten trüben Farben drückt dem insgesamt beachtlichen Bild seinen Stempel auf bzw. setzt Akzente. Ein Bild, bei welchem man nicht gleich wieder zur Tagesordnung übergeht.
kmh 25/08/2021 19:27
Der/Die Fotografin hat "ein wenig fotografiert, um die Zeit zu vertreiben". Später hat er/sie dann gemerkt, was er/sie da gemacht hat. Die fotografische Intention hatte also nichts mit der Geschichte zu tun. Das kam erst hinterher. Das Bild kann natürlich bewusst so inszeniert/komponiert sein. Das macht es aber nicht besser, sondern eher schlechter. Falls es bewusst entstanden ist, würde mich interessieren, welche Absicht dahinter stand. Denn das Bild drückt es nicht aus.Sag mal Micha 25/08/2021 18:40
Meine Favorisierung wäre auch ohne den Text erfolgt wegen der Merkmale im Bild und besonderer Positionierungen der Gegenstände. Insbesondere ist mir aber zusätzlich in der Beipackgeschichte ein Wort ins Auge gestochen, aus dem ich meine, erkennen zu können, dass es sich nicht um simples Draufhalten handelte, sondern hier sehr klar bei Verstand abgedrückt wurde (Disput).Abenteuerlich, das Leben. Für mich ist das Sinn von Fotografie. Wer mag, kann ja trotzdem seine Photoshop-Ebenen bedienen und im Luminar-Himmel schweben.
Ausklickende Grüße
elstp 25/08/2021 17:39
„So fühle ich mich gerade“ sagt mir dieses Bild, „Ich bin Stunden durch die Nacht gefahren und kann mich davon noch nicht frei machen. Es ist früher Morgen, und mich fröstelt es. Regnen tut es auch. Aber ich bin froh, dass ich die Fahrt hinter mir habe.Der erste Blick auf meine Umgebung ist ernüchternd; die bauen da gerade was, und man kommt nicht so einfach da runter. - Das werde ich mir in den nächsten Tagen noch genauer ansehen…“
Der Autor gibt mit diesem Bild seiner Stimmung Ausdruck. Die nächtliche Autofahrt, dass er seine Wohnung noch nicht beziehen kann, dass da eine Baustelle in Arbeit ist, dadurch ist sein Blick auf die Gegenwart erst einmal ein wenig trist. Aber es ist gut, dass er sein Fahrrad hat und er sich schon einmal ein wenig umschauen kann. Wenn er seine Tasche ausgepackt hat, wird ihm schon wieder wohler sein und das findet sich dann auch in seinen Fotos wieder.
Gruß LILO
wittebuxe 25/08/2021 12:30
Hhm. Die innere Tristesse des Autors nach langer Autofahrt, Schlaflosigkeit trotz erschöpfender Ermüdung, keines Zugangs zur ersehnten Schlafstätte, das regnerische und kalte - äh - Klima, kurz: die ganze kleine Urlaubswelt hat sich an diesem Morgen gegen ihn verschworen. Kein Wunder, nun sind präzise Handlungen oft eingetrübt von leichter (Sinnen)Unschärfe, die sich naturgemäß und somit unverhinderbar im Foto niederschlägt. Der Autofokus hingegen hat alles richtig gemacht: er übernahm die Kontrolle, und bildete folgerichtig das Wichtigste im Bild scharf ab: sein Fahrrad (mit dem er schließlich irgendwann doch wieder nach Hause wollte). Dass Strand und Sand und Meer hierbei unter die Räder(!) kamen: das stellt man erst sicher fest, wenn man ausgeschlafen die Ergebnisse der morgendlichen, im Halbnebel gedrehten Runde sichtet, und sich fragt: war da etwa dein Unterbewusstsein schon viel weiter als du selbst?Das Leben: ein Mirakel.
Matthias von Schramm 25/08/2021 11:52
Da es in den Threads mit Gardin, Fotobücher und anderen etwas untergehen würde, möchte ich einmal Abseits davon, was man muss oder nicht muss (was eigentlich sehr uninteressant ist nach meinem dafürhalten) auf die Frage des Schärfeverlaufs eingehen. Sinngemäß wurde präferiert, dass der Hintergrund scharf sein solle, damit Atmosphäre entstünde, bzw. ein gutes Foto von dieser Strandbaustelle bei Wetter entstehen würde.Auf so eine Idee kommen eigentlich nur Menschen - so befürchte ich - denen alles ab Blende 11 und geschlossener den heiligen Gral darstellt. Unwissenschaftliches Youtubewissen hält quasi dagegen und erklärt, warum man diese Blenden niemals nicht verwenden darf. Fotografen, welche auf kein Sujet festgelegt sind, wie offenkundig der/die BildautorIn, verwenden eher instinktiv offenere Blenden. Also Fahrrad, Pfosten, Vordergrund scharf und Meer nicht scharf. Das tut dem Bild auch sehr gut und da benutze ich wieder das Bertramsche (nach meinem dafürhalten). Maler der Generation der Väter des/der BildautorIn und meines Vaters z.B. hätten mit Pinselstrich so eine Küste mit zartem blau weissen Boot vermutlich ganz toll und angenehm gefunden. Gischt und Uferzunge sind nur ein Hauch und hier eigentlich vermutlich geschuldet der verwendeten Optik nicht noch weniger scharf, was dem Bild gut täte. Zum Glück ist hier kein auf sterbende Schönheit bedachter Landschaftsfotograf zugange.
Die große Überraschung, die hier formuliert wurde, dass Fotos extrem konträr betrachtet werden können, ist mir sehr unverständlich. Wir hatten hier in der FC schon alles. Einen ausgemachten Schwarzweiss Foto Hasser z.B. oder Leute die behaupten jeden Tag 20 000 Fotos zu produzieren.
Dezent aufdringlich verlinke ich mal (die Fotos dazu sind eher schlecht fürs Thema), warum mir der Eingangstext soviel sagte.
https://www.fotocommunity.de/photo/die-bilder-des-vaters-matthias-von-schramm/45185695
Übrigens, den Bildtitel hier bei diesem Bild finde ich nicht wichtig, aber sehr treffend, bedenkt man die Elemente im Bild, die man immer mehr entdeckt. Die grelle Farbe des Pfostens hingegen ist vermutlich banal einer Sensorreaktion auf derartige Farbtöne geschuldet.
Gerd Scheel 25/08/2021 9:57
@ Gerhard Körsgen,"Gleichmut", selbstverständlich kannst du
es perfekt finden, wenn man es einfach als Oberbegriff
für 10 oder mehr Gefühle nimmt.
NikoVS 24/08/2021 16:11
Ich sehe ein Bild im Hochkantformat. Im Vordergrund Asphalt. Dreckiger Asphalt. Rechts steht ein hellroter, greller Baupfosten, der vermutlich eine Baustelle abgrenzen soll. Ein rotes Seil unterstützt den Pfosten in seiner Funktion. Neben dem Pfosten steht ein altes, blaues Männer-Tourenrad mit einem alten Sattel. Hinter dem Fahrrad sehe ich einen hässlichen Betonklotz. Dahinter einen planierten Streifen, der vermutlich weiter mit Raupen und Walzen verfestigt wird. Dann kommt so was ähnliches wie Strand. In diesem Abschnitt stehen weitere große, hässliche Betonklötze und Baumaterial. Oder Bauschutt. Links am Bildrand ein blau-weißes Boot. Das Boot sieht aus, als ob die letzte Flut es bis dorthin gespült hätte. Dahinter sehe ich das Meer und einen trüben, grauen Himmel. Sonst sehe ich nichts.Auslösen tut das Bild nichts in mir. Weder der grelle Pfosten, noch das Fahrrad, noch dieser hässliche Strandabschnitt. Oder vielleicht doch! Freiwillig würde ich dort mein Rad nicht abstellen wollen. Was sollte ich auch dort, an diesem hässlichen Strand? Ich würde ihn vermutlich meiden.
Ich vermute, dass ich das Bild nicht verstehe. Daher spricht es mich auch in keiner Weise an. Ich hätte dieses Motiv mit Sicherheit nicht fotografiert. Und wenn, dann hätte ich zumindest den Horizont ausgerichtet. Und ich hätte von dem schmutzigen Asphalt weniger aufgenommen. Das Bild wäre trotzdem nicht besser. Und wäre immer noch stumm und leer. Ohne Bildaussage und ohne alles, was ein Bild ausmachen sollte.
Erst mit dem Vortext ergibt sich eine Geschichte. Plötzlich rattert die Phantasie! Und das Bild lebt. Zumindest etwas.
Ein Bild sollte selber sprechen. Sollte selber was aussagen. Im Idealfall selber eine kleine Geschichte erzählen.
Dieses Bild lebt nur mit dem Vortext. Dem Vorwort. Kann man so machen. Mir persönlich sind Bilder lieber, die ohne Erklärung leben. Eine Geschichte sollte sich selber erzählen. Ohne Begleit- oder Vorgeschichte.
Gardin 24/08/2021 13:28
Es tut mir leid, ich habe mich sehr bemüht, aber mir gefällt dieses Foto nach wie vor überhaupt nicht. Es geht los mit dem Format, dann das Fahrad, das eigentlich umkippen müsste aus der Perspektive, der grelle Pfosten, das Boot am linken Rand usw. Und irgendwie ist das Foto für mich auch durch den Schärfeverlauf vollkommen stimmungslos. Ich könnte noch nicht einmal sagen es vermittelt mir eine trostlose Stimmung.Vielleicht bin ich ja hier vollkommen fehl am Platz, denn ich kann mich auch nicht dafür erwärmen, aufgrund eines langen Textes etwas in das Foto hineinzuinterpretieren. Es tut mir wirklich leid lieber Fotograf/in, bitte nicht böse sein