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Spielwürfel

Berlin, Flohmarkt Nähe Straße des 17. Juni, 1. August 2009. Nikon D 90 mit Sigma VR 18-200 mm f/3,5-6,3 bei 200 mm. JPEG (8 Bit) Fein. ISO 320. 1/2000 sec f/6,3 bei Programmautomatik, mittenbetonter Messung und Belichtungskorrektur -0,3 LW. Bearbeitung: Corel PhotoImpact X3. Tonwertkorrektur: Gamma 1,2. Nachschärfen des auflösungsreduzierten Bildes 20/100.

24.05.2009
Berlin - Der Tod des Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 markiert den Beginn von 68, die Radikalisierung der Studentenbewegung, den Anfang des roten Terrors in der Bundesrepublik. Die Hintergründe seines Todes sind nie wirklich aufgeklärt worden. Der Schütze, der Berliner Polizist Karl-Heinz Kurras, wurde in zwei Prozessen freigesprochen - aus Mangel an Beweisen.
Seit Donnerstag ist bekannt, dass Kurras jahrelang für die Stasi arbeitete, Mitglied in der SED war. Das belegen sein Parteibuch und die Stasi-Verpflichtungserklärung, die Kurras einst unterzeichnete und die jetzt in der Birthler-Behörde durch Zufall entdeckt wurden. Die Frage, der sich aus diesem Fund ergibt: Wäre die Geschichte der Bundesrepublik anders verlaufen, wenn die Studenten damals gewusst hätten, dass der Berliner Polizist, der den jungen Ohnesorg erschossen hat, ein DDR-Spitzel war?
Kurras hat inzwischen seine SED-Mitgliedschaft eingeräumt. "Ja, ich war in der SED, soll ich mich deswegen etwa schämen?", sagte er der "Bild am Sonntag" ("BamS"). Befragt zu seiner Spitzeltätigkeit für die DDR antwortete der 81-Jährige: "Und wenn ich für die Staatssicherheit gearbeitet habe? Was macht das schon. Das ändert nichts!" In der "Bild"-Zeitung am Samstag hatte Kurras noch geleugnet, Inoffizieller Mitarbeiter (IM) des Staatssicherheitsdienstes der DDR gewesen zu sein.
Eine neue juristische Untersuchung des Falls Benno Ohnesorg fürchtet Kurras offenbar nicht: "Niemand, auch der Staatsanwalt nicht, wird glauben, dass ich einen Mord begangen habe." Er sei "rechtskräftig freigesprochen" worden, so der Rentner. "Fertig."
Der Vizechef der Vereinigung der Opfer des Stalinismus, Carl-Wolfgang Holzapfel, hatte den Todesschützen am Freitag wegen Mordes angezeigt. Die Antwort Kurras: "Den hätte Erich Honecker früher mal richtig verurteilen sollen."
Eine eingehende Prüfung der Stasi-Akten Kurras' fordert der frühere Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), der Ohnesorgs Vater als Nebenkläger im Prozess gegen Kurras vertreten hatte. "Die Frage ist, was die Stasi mit Kurras wollte. Wollte sie nur Informationen aus dem Innenleben der Polizei gewinnen? Oder sollte Kurras gezielt die Funktion eines Agenten provocateur erfüllen?", sagte Schily dem SPIEGEL.
Wäre der Prozess gegen Kurras mit den heutigen Kenntnissen anders verlaufen? "Davon bin ich überzeugt", sagt Schily. Man müsse schon fragen, "ob das Verschwinden der Beweismittel und die merkwürdigen Zeugenaussagen anderer Polizisten alles Zufälle waren. Wenn die Polizei gewusst hätte, was es mit diesem Herrn auf sich hatte, hätte sie den Fall ganz anders angefasst". Das Material wäre damals entscheidend gewesen, so Schily.
Im Jahr 2007 hatte Kurras in einem Interview mit dem "Stern" gesagt, er hätte auf Ohnesorg so oft schießen sollen, "dass die Fetzen geflogen wären, nicht nur ein Mal". Die Äußerungen, so Schily im SPIEGEL, seien "eigentlich ein Grund, das Verfahren noch mal aufzurollen. Bisher ging es vor Gericht immer um fahrlässige Tötung. Bei solchen Sätzen muss man davon ausgehen, dass er das bewusst getan hat und seine Aussage, es habe sich um ein Versehen und Notwehr gehandelt, nicht stimmt".
In der "BamS" bestritt Kurras, von der Stasi bezahlt worden zu sein, wie es die Akten des DDR-Geheimdienstes ausweisen. "Von denen habe ich nie Geld bekommen. Das haben die sich sicher in die eigene Tasche gestopft." Nach Informationen des SPIEGEL erhielt der Waffennarr knapp 20.000 Mark.
Der Ex-Polizist lieferte der Stasi nach SPIEGEL-Informationen über Jahre Details aus dem Inneren der West-Berliner Polizei. Die hatte ihn ironischerweise darauf angesetzt, Spitzel der DDR zu entlarven.
Laut Akten des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) lieferte IM "Otto Bohl" vor dem tödlichen Schuss auf Ohnesorg über Jahre Interna über Mitarbeiter, Personalveränderungen und die Arbeitsweise verschiedener Dienststellen der West-Berliner Polizei. Zusätzlich sammelte er Personendaten von DDR-Flüchtlingen, verriet geplante Durchsuchungen bei Spionageverdächtigen und informierte das MfS über Fluchthelfer, mögliche Fluchttunnel und unterirdische Schießanlagen der Alliierten.
Seine Führungsoffiziere statteten Kurras laut Stasi-Akten mit einem Satz Abhörmikrofonen aus, die er im Dienstzimmer des Leiters der Berliner Kriminalinspektion Tiergarten installieren sollte.
In den Akten finden sich auch Protokolle von Kurztreffen, bei denen Kurras Büchsen mit Minox-Filmen oder Nachschlüssel für Panzerschränke und Diensträume der Polizei übergab. Für konspirative Kontaktaufnahmen mit dem Agenten, der als Waffennarr galt, war die Losung "Guten Tag, Herr Kurras, ich komme wegen der Schießabteilung" vereinbart.
Im Jahr 1965 berichtet Kurras seinem Führungsoffizier, dass er in eine Sonderermittlungsgruppe des West-Berliner Staatsschutzes aufgenommen worden sei, die sich mit dem Aufspüren von Verrätern in den eigenen Reihen beschäftige. Kurras gab dem MfS Namen und Spitznamen von Kollegen zu Protokoll und beteiligte sich 1967 an der Suche nach "Schläfern" des MfS im Polizeiapparat West.
Die Stasi versuchte die Top-Quelle offenbar auch für sogenannte "Romeo-Aufträge" zu gewinnen und setzte den IM auf die Mitarbeiterin eines Abteilungsleiters der Polizei an. Nach dem gescheiterten Annäherungsversuch erbat sich der Agent, derartige Aufträge nur "bei absoluter Notwendigkeit" erteilt zu bekommen.
jjc/dpa/ddp
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,626527,00.html

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