#32/2024
Willkommen zu Agora - Bilddiskussion intensiv
Wir freuen uns, dass Du Dich intensiver mit diesem Foto auseinandersetzen möchtest.
Bei Agora liegt der Schwerpunkt auf der Wahrnehmung und Interpretation des Fotos
- NICHT in dessen Bewertung -
~.~.~.~
Diese Leitfragen können Dir dabei helfen, in die Welt des AGORA-Fotos einzutauchen
1. Was nehme ich wahr? (analytisch)
2. Wie interagieren die verschiedenen Elemente im Bild? (analytisch)
3. Welche emotionale Wirkung entfaltet sich bei mir? (emotional)
4. Welche Botschaft, welche Bildaussage, welche Geschichte erkenne ich? (Interpretation)
~.~.~.~
Auf diese Weise erhältst Du die Möglichkeit, ein Foto eingehend zu erforschen und (möglicherweise) faszinierende und neue Aspekte zu entdecken, die Deine Fotografie auf ein neues Level heben können. Gleichzeitig erfahren die Bildautoren, welche anderen Interpretationen des Fotos existieren. Sie entdecken neue Blickwinkel und können so über ihr Foto und dessen Entstehung nachdenken.
*** Wichtig ***
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Agora 3.0 - Bildbesprechung intensiv 09/09/2024 5:54
Die Diskussion hier ist beendet.Agora wird unter dem folgenden Bild fortgesetzt:
fotosichtig 08/09/2024 8:10
mir fällt es schwer eine Geschichte zu beschreiben ... die diese Bild wieder gibt...Schön, wie die Ruhe des einzelnen die Hektik der/des anderen nicht berührt.
Agora 3.0 - Bildbesprechung intensiv 07/09/2024 15:01
zappa59 schreibt:"Vielen Dank für die Auseinandersetzung mit meinem Bild.
Auf die einzelnen Anmerkungen werde ich, sobald dies möglich ist, reagieren.
Das Bild ist an einem Sonntagnachmittag im Sommer in Chalon-sur-Saone/Frankreich auf einem kleinen Platz am Rande der Altstadt entstanden. (By the way: der Geburtsort von Niepce -Entwickler der Heliografie)
Das Foto habe ich etwas bearbeitet (beschnitten und den ein oder anderen Fleck weggestempelt).
Für schwarzweiß habe ich als ein Stilmittel der Streetfotografie entschieden.
Der junge Mann, den ich später in der Stadt mit anderen Obdachlosen wieder sah, rührte mich. Die Plastiktüten beinhalteten sein Hab und Gut und mussten beim Schlafen durch Kopf und Beine geschützt werden. Aus beruflichem Kontext heraus weiß ich, wie sehr Armut und das Leben auf der Straße anstrengt, ermüdet und vereinsamt. Er hielt dort also nicht ein Entspannungsnickerchen, oder erholte sich vom Einkauf, sondern ruhte sich von den Anstrengungen seiner Lebensumstände aus.
Zur Intention des Bildes:
die erste war die Darstellung von Obdachlosigkeit eines jungen Menschen.
Mein erster Gedanke, als ich ihn sah war "how dare you“ - wie könnt Ihr es wagen (junge Menschen in Obdachlosigkeit leben zu lassen). Die Beiläufigkeit der Szene, wie er so da liegt, keine klischeehaften Assessors wie z.B. Alkoholflaschen, die Einsamkeit (keine weiteren Menschen sind zu sehen) und die Unaufgeregtheit der Szene soll zeigen, wie, erschreckend normal wir Obdachlosigkeit mittlerweile wahrnehmen, während im Hintergrund die Insignien des „normalen“ Lebens zu sehen sind: Bank, Geschäfte, Auto.
Mit dem Bild verbinde ich also eine gesellschaftskritische Aussage.
Nicht beim Auslösen intendiert, aber in der der Betrachtung am PC, sprach mich zweitens die Formsprache an: die Körpersilouhette des jungen Mannes korrespondiert mit der des vorbeifahrenden PKWs.
Viele Grüße
zappa59"
N. Nescio 07/09/2024 13:55
Ich Blende Bankomat, Auto etc aus und denk mir, so dünne Oberschenkel und Knie kann man gar nicht haben - hat die eine Beinprothese? Wo ist ihre Gehhilfekrücke? Warum liegt die in ihrer Armut so da? Moskitonetz überm Gesicht, ein paar Habseligkeiten in 2 Plastiksäcken. Lebt sie, oder ist das eine Kunstinstallation? Warum hilft ihr keine Organisation ein besseres Leben zu führen?Den sozialen Kontrast zwischen dem wohlhabenden Hintergrund und ihr empfinde ich etwas aufdringlich als Bildmotiv, voyeuristisch. Gut, Fotografie ist von Natur aus ein etwas voyeuristisches Medium.
Elend in elendiglicher Umgebung - wenig Sozialkontrast - kann ich verstehen in armen Ländern. Aber Elend im reichen Westen schmerzt mich obszön - ausgestoßen aus der Gesellschaft.
Ich bin mir nicht schlüssig, ob das Bild aufrüttelt, anklagt oder fingerzeigt.
Jedenfalls tut sie mir leid.
Eva B. 06/09/2024 20:50
Eine Person liegt auf einer steinernen Bank, der kopf liegt auf einer Plastiktüte, recht abgeknickt, der Ellbogen hängt in der Luft. Die Beine liegen auf einer weiteren Tüte. Bequem? Oder nur, damit die Tüten nicht geklaut werden? Die Person wirkt sehr dünn, die Haare scheinen ins Gesicht zu hängen, Augen geschlossen, Hände gefaltet.Im Hintergrund fährt ein Auto, es sind Mülltonnen zu sehen, eine Häuserzeile, Baumstamm, ein Geldautomat, urbane Umgebung.
Meine Gedanken bleiben an der Person hängen. Schläft sie? Ruht sie sich aus? Ich muss an das Buch ,Ether' von Fazal Sheikh. Fotos aus einer heiligen Indischen Stadt, in die Hindus zum Sterben geben und auf Erlösung hoffen. Fotos von Menschen, in Decken gehüllt auf der Straße liegend, irgendwo zwischen Traum, Schlaf und Tod auf dem Weg Ether zu werden. Das Buch hat mich bedrückt, beeindruckt, berührt, zu gleichen Teilen. Die Bilder strahlen Respekt vor den Menschen, dem Tod und dem Leben aus.
Beim obigen Bild vermisse ich dieses Gefühl von Respekt. Wozu wurde es gemacht. Es wirkt auf mich draufgehalten. Unangenehm. Ich möchte die Person fragen, ob sie Hilfe benötigt. Oder sie in Ruhe lassen, weitergehen. Weiß nicht, nicht ganz meines. Aber das macht ja nichts.
Matthias von Schramm 05/09/2024 17:32
Ich sehe wie sich sich mehrere Wellenbewegungen quer durchs Bild ziehen. Die auffällige erste Welle ist diese Art Sitzgelegenheit aus Stein oder ähnlichem. Die zweite Wellenbewegung erzeugt der schlanke Körper, der drauf liegt. Kopf und Kniekehlen sind wie in Wellenform durch Taschen und Tüten gepolstert, so wird das Liegen der Person zu einem Lager. In der Pflege lernt man, dass insbesondere nicht mobile Personen immer gleich, bzw. in immer gleicher Veränderung über die Zeit gelagert werden müssen. So eine Lagerung, die wohl am besten erscheint, hat sich hier die mobile Person selbst gemacht.Keine Welle, aber eine Bewegungsunschärfe zeigt das Fahrzeug im Hintergrund, welches dem Bild eine komplette Dynamik gibt. Obwohl die Person ruht, zeigt das Bild stetig eine Form von Bewegung. Ansonsten wirkt auf dieser SW Aufnahme der Hintergrund eher beliebig, umaufregend und für so eine "Bühnenszene" eher störend. Aber so ist das in der Fotografie von Menschen im Alltag. Sie befinden sich da, wo sie sich befinden und ihre Umgebung ist nicht immer so motivisch attraktiv, wie die Menschen selbst. In diesem Fall empfinde ich das so. Ich habe eine zeitlang gerne so profane, verlassene oder fast verlassene Straßenzüge fotografiert. Die Idee, die mir dabei in den Sinn kam, im scheinbar "Störenden" das "Passende" zu finden.
wittebuxe 04/09/2024 23:53
Sie sieht entspannt aus, so wie da liegt. Der Mund geschlossen, die Gesichtszüge glatt, die Hände über dem Bauchnabel gelegt, die gepflegten Finger ineinander verschränkt. Das Gesicht leicht abgewandt, sie schläft. Die Unterlage ist nicht körperformgerecht, aber glatt. Sie ist nicht die Prinzessin auf der Erbse. Es geht so gut. Sich so tief fallenzulassen: sie hat keine und muss keine Angst haben, es ist sicher dort.Hinter ihrem Schlaflager fährt ein Auto durchs Bild, man erkennt langsame Fahrt, der Anblick ist leicht verwischt. Den Wagen hätte der Fotograf locker vermeiden können, ein paar Sekunden früher oder später ausgelöst. Also vermute ich: da ist so gewollt und gehört ins Bild. Vielleicht soll es den Gegensatz zwischen Bewegung und Ruhe symbolisieren, vielleicht ist es nur ein weiterer Bauststein zu einem guten Foto.
Hinter dem Wagen widerum ein Ladengeschäft, dessen Panzerrollade bereits heruntergelassen ist. Es ist früher Abend, und die Arbeit ist getan.
Keine weiteren Personen sind zu erspähen - so lasse ich also die Schläferin schlafen, und wünsche ihr gute und friedliche Erholung auf ihrem harten Bett.
Gerhard Körsgen 04/09/2024 21:51
Erstaunlicher Zufall, aber erst vor kurzem hatte ich wieder Bernd Hagemann`sBuch "Sleeping Chinese" in den Händen, welches durchgehend Fotos von Menschen
zeigt die im urbanen Kontext im öffentlichen Raum schlafen.
Auch selbst habe ich dieses Thema fotografisch angerissen und hier in der
fc schon eine kleine Serie gezeigt.
Insofern ist das hier gezeigte etwas was mich grundsätzlich interessiert.
...
Die im Foto zu sehende Person liegt leicht abgewandt vom Betrachter auf einer
Art schlangenförmigen Sitzgelegenheit im öffentlichen Raum und nutzt mehrere
Carrefour-Tüten sowohl als Kopfkissen als auch als Lagerungshilfsmittel um
bequemer liegen zu können. Möglicherweise spielt aber auch der Schutz vor
potentiellem Diebstahl dabei eine Rolle.
Im Hintergrund fährt ein Auto vorbei dessen Bewegungsunschärfe einen dynamischen
Akzent in die ansonsten statische Szene bringt.
Die Platzierung in der Bildmitte macht klar dass es um die Person gehen muss wobei
das teilverdeckte Gesicht sie wiederum anonymisiert. Der zusätzlich in den Rahmen
integrierte urbane Raum ist so unspezifisch dass man nicht sicher herleiten kann
wo die Aufnahme entstand, irgendwo in Frankreich ist zu vermuten.
...
Die "Art des Liegens" lässt mich darauf schließen dass die Person nicht etwa eine
Arbeitspause einlegt sondern eher eine zeit-ungebundene Rast bei der es mehr oder
weniger egal ist wann man wieder aufsteht. Dafür spricht auch es sich anhand der
Begebenheiten so weit wie möglich "gemütlich" gemacht und den Liegeplatz im Schatten gewählt zu haben.
Nach meinem Dafürhalten spricht ein gewisses "Grundvertrauen in die Menschheit" dafür sich so exponiert niederzulassen, ich behaupte mal die meisten von uns fc-usern würden sich das allein so nicht trauen.
...
Ein leises "nebenbei"-Foto welches mehr Fragen aufwirft als diese zu beantworten.
framebyframe 04/09/2024 11:32
Zwei Welten, zwei Geschwindigkeiten. Schnell geht es im Hintergrund zu, ein Auto fährt rasch durchs Bild, an einem Bankautomaten vorbei. Vorne dagegen ruht man sich aus. Eine Person, langgestreckt auf einer steinernen Bank. Unter den angewinkelten Knie Habseligkeiten in Plastiktüten. Der Kopf ruht auf einer Einkaufstasche. Etwas verrät, dass man sich in Frankreich oder Belgien aufhält, Carrefour steht auf der Plastiktasche. Halblange Haare fallen auf das Gesicht, ein Mann, eine Frau, schwer zu erkennen. Die Hände sind über dem Bauch gefaltet. Man sieht die geschlossenen Augen unter der Haarsträhne nicht, die Person scheint aber zu schlafen. Was verbindet die beiden abgebildeten Pole, Ruhe und eher Aussteigen und rasche Hektik, wie vom Auto suggeriert? Beide Weltanschauungen haben gemein, dass der Abfall entsorgt werden muss, früher oder später. Die Mülleimer scheinen dies doch zu symbolisieren. Ein schön aufgebautes Bild. Wer sich genügend Geld aus dem Automaten ziehen kann, hat durchaus Zeit, erst mal die anderen Dinge an sich vorbei ziehen zu lassen. Man kann jederzeit ja entsorgen.Clara Hase 03/09/2024 14:14
Erschopfung - sogar sehen mag sie nichts mehr - die Sonnenbrille hängt an einer ihrer Tüten. Diese stehen prall gefüllt - zu a unter ihrem Nacken, du B unter den Kniekehlen.Sehr lazy hängt ein Bein. Die Arme eng am Oberkörper - die Steinbank ist schmal.
Das ganze Kaleidskop liegt mit waagerechtem Rücken auf einer Steinbank, die ist vermutlich hart. Evtl Station für den Bus?
Ihre Hände sind brauner als das Gesicht- lange Haare - Sonnenbrille gaben Schutz?
Ihre Liegefläche ist noch relativ schattig - der von den Bäumen kommt. Dies ist an der Tür, bzw den Rolläden im HG auszumachen - Schatten von Zweigen und Laub.
Daneben der EC-Automat - ob sie dort erst Geld holte? Mülleimer stehen dort auch - Evtl Hintereingang? Türschilder mit "Objekt"
Sie sieht sehr mager aus - ihre Hose schlottert um ihre Beine, aber es ist auch Mode. Ihre Schuhe deuten eher nicht auf sommerliche Temperaturen.
Aufnahme evtl in Frankreich. Carrefour fr steht an einer Tüte. Eigentlich ein Lebensmittelhändler - siehe Statista und Wiki.
Sie sehen eher so aus, als wären sie mit weichen Dingen befüllt- nichts da mit Tomaten in Dosen- eher Bekleidung.
Ob sie dort gearbeitet hatte, oder tatsächlich vom Einkauf oder auf einem Flohmarkt Bummeln war, ist nicht eindeutig auszumachen.
Das Auto ist noch am fahren - das ist sehr überflüssig- hätte sie eines oder eine Mitfahrgelegenheit läge sie sicher nicht dort. Die Straße ist zweispurig - in der Mitte eine schmale Grünfläche bzw Bäume. Ihr Standort ist leicht verschmutzt- Taschentuch, Flecke evtl von Kaugummis.
Wieder hinten beim Auto, sehe ich Abflussrinnen, und einen Kantstein - unerheblich. Straße eben.
Die Aufnahme ist in schwarz weiss- dazu kann ich weiter nichts schreiben. Sie wurde sehr mittig ausgeführt- ergab sich wohl durch die Steinbank.
Michael Menz 02/09/2024 22:35
Ein Mensch liegt auf einer zweiteiligen, geschwungenen, steinernen Sitzgelegenheit, wie sie in ähnlicher Art, auf öffentlichen Großstadtplätzen oft zu finden ist. Einladend genug, um sich eine Weile hinzuzusetzten. Ausladend unbequem genug, um länger darauf herumzulungern oder gar zu schlafen.Der fotografierte Mensch schafft es aber dennoch auf seine Weise, diese Bank als Ruheplätzchen zu nutzen. Der Platz in der Mitte bietet eine relativ gerade Liegefläche an. Die improvisierte Kopf- und Kniekehlen Stütze geben zusätzlichen Halt und erzeugen dabei ein eigenwilliges optisches Bild. Man könnte es als lässig deuten, für mich ist das aber ein geübtes Verhalten eines Wohnungslosen in der Großstadt. Die beiden Plastiktüten sind wahrscheinlich gefüllt mit weiteren Habseligkeiten der Person und damit auch weich genug als Stützen. Unter seinem Rücken vielleicht noch eine Jacke als Unterlage. Alles damit gleichzeitig auch gut vor Diebstahl geschützt.
Die Kleidung wirkt sauber, auch die zerknitterte, über den dünnen Beinen der Person, schlotternde Hose. Ist die Person tatsächlich wohnungslos, könnte es eine frische Kleiderspende sein. Etwas weitergesponnen, könnten sich auch in den Plastiktüten frische Kleiderspenden befinden.
Vor der Bank, relativ schmutzige Fliesen mit Papiertüchern, Schnipseln und Zigarettenstummeln. Beides zusammen für mich der Raum in dem sich Fotograf und fotografierte Person befinden.
Im Hintergrund nun eine poröse Steinfläche mit öffentlichen Müllbehälter, welches noch zum Platz gehört. Dann eine (Einbahn-) Straße und dahinter eine Ladenzeile, mit Geldautomaten und Blumenladen, wie ich sie in der Nähe von Bahnhöfen vermuten würde. Dazu ein Hausmülleimer, der wahrscheinlich noch auf Leerung wartet.
Die Läden sind zu, kein weiterer Mensch ist zu sehen, ein Auto fährt vorbei. Ich vermute es ist morgens/ vormittags.
Platz und Hintergrund sind nun für mich ein Zeichen für das Lebensumfeld des fotografierten Menschen. Eine größere Stadt, ein öffentlicher Platz, nahe genug an Supermarkt, Bahnhof und weiteren „Gelegenheiten“ für Wohnungslose in der Großstadt.
Die Szenerie wirkt auf mich vertraut trostlos bis abstoßend, ohne mich jetzt grundlegend aufzuwühlen. Ginge ich an der Person vorbei, würde ich ob der auffälligen Liegeposition kurz stutzen, mich evtl versichern, ob die Person bei Bewusstsein ist und mich dann rasch entfernen. Dieser Mensch hat sich, auf die ihm eigene und mögliche Weise, einen Platz erobert, der zugleich intim und exponiert ist.
Grafisch gefällt mir, wie die Person genau in der Leibesmitte zwischen den zwei Bänken liegt, quasi wie beim Zauberkasten im Zirkus. Die Gedachte Linie nach oben zieht sich sogar noch über die Naht des Mülleimers.
Die Farbe des Pullis ist ähnlich fleckig, wie die hintere Platzfläche. Die Farbe der Hose korrespondiert mit der Farbe des Müllbehälters.
Der Mensch verwischt und wird zu einer, auch in seiner Haltung, abstrakten Fläche im öffentlichen Raum. So stark entmenschlicht, dass wir nicht mehr hinsehen, auch wenn wir genau zentral darauf blicken.
Das Auto find ich grafisch entbehrlich, es sei denn man wollte meiner oben erwähnten senkrechten Linie weiter folgen. Dann hätten sich aber der Mülleimer in der Mitte des Fahrzeugs befinden sollen und der Fotograf hätte etwas zu spät ausgelöst.
Die mögliche „Geschichte“ des bewegten Fahrzeugs, wäre noch die „Flucht“ vom trostlosen Ort, auch als Gegensatz zur bleibenden, ruhenden Person. Die sehe ich jedoch nicht.
_visual_notes_ 02/09/2024 19:06
1. Zum Inhalt:Als erstes sortiere ich so ein Bild für mich ein. Es ist s/w, offenbar ein Reportagefoto, da assoziiere ich Namen wie Walker Evans, Dorothea Lange, Gordon Parks, Russell Lee etc., also die Fotografen der FSA (Farm Security Administration) in den USA zur Zeit der Großen Depression und der Umsiedlungen Hunderttausender vom Dust Bowl nach Kaifornien.
Die Armut scheint in diesem Bild nicht so groß wie in jenen Fotos, der Reichtum ist auch nicht allzu obszön: wenn ich das richtig sehe ist das vielleicht ein Peugeot 3008 aus dem Jahr 2010 oder so.
Die Dame (?) ist sehr dünn. Französinnen sind meist viel dünner als beispielsweise Deutsche, Holländerinnen oder Polinnen, aber diese Person sieht für mich nach "Essstörung" aus.
Warum liegt sie da? Eine Pause? Erschöpfung? Lebt sie auf der Straße? Wahrscheinlich nicht, dazu erscheint sie mir zu gepflegt und gestylt.
Die Geschichte ist nicht extrem stark, aber okay.
2. Was ist mit der Form?
In meinen Augen ist das Foto hinten viel zu kontrastreich. Der schwarze Peugeot zieht meinen Blick immer wieder in den Hintergrund. Auch die Wand im Hintergrund hat sehr helle und sehr dunkle Ellemente. Klassische s/w-Fotografie bedeutete (a) den Einsatz von Farbfiltern (rot, orange, gelb, gelbgrün), um bestimmte Farben heller oder dunkler, also mehr oder weniger dominant zu machen, und (b) das Bild in der Entwicklung "abzuwedeln" ("dodging and burning") - immer mit dem Ziel, die wichtigen Elemente hervorzuheben und die unwesentlichen Teile des Bildes weniger prominent erscheinen zu lassen.
Dieses Bild wirkt auf mich unbearbeitet, könnte einiges an Editing vertragen. Man muss nicht in den Spuren ehemaliger Fotografen wandeln, man kann auch "sein eigenes Ding machen", aber hier sehe ich nicht, warum der Wagen so dunkel sein sollte, warum die Wand im Hintergrund so kontrastreich sein sollte.
3. Und das Licht?
Das Licht ist hier nicht dazu da, DInge zu beleuchten oder zu verbergen. Es gibt Licht und Schatten, wobei die Person sich wohl absichtlich in den Schatten gelegt hat. So verständlich das ist, so unfotogen ist das auch. Die hellsten Stellen sind ganz links und ganz oben rechts, nicht auf der Protagonistin. Die dunkelste Stelle eben auf dem Auto, ebenfalls nicht auf der Person, von den Schuhe abgesehen. Kein "gutes Licht" für ein Streetfoto, aber man kann sich das in diesem Genre dummerweise nicht aussuchen.
Horst.F 02/09/2024 17:56
1. Eine junge Dame liegt in diesem SW in einem französischsprachigen Land (carrefour.com, florajet.com) gegenüber einer Ladenzeile mit Blumengeschäft, Bankkartenautomat usw. auf zwei dafür eigentlich zu schmalen, geschlängelten Beton-Sicherungselementen; vermutlich am Rand eines Platzes im Halbschatten der Bäume auf dem Rücken, die Hände auf dem Bauch gefaltet. Als Schutz gegen die Kälte von unten hat sie sich auf eine Decke gelegt. Außerdem liegt sie mit ihren angewinkelten Knien und mit ihrem Kopf auf ihren beiden gefüllten, großen Plastiktüten der örtlichen Supermarktkette; ein Bein läßt sie aus Platzmangel in der Luft herunterhängen. Die Kleidung der Frau erscheint sauber, die Hose ungebügelt; an den Füßen trägt sie einfache Filzschuhe.Auf der Fahrbahn hinter ihr ist ein schwarzer PKW bewegungsunscharf abgebildet, ferner ein Abfallbehälter und einige Mülltonnen vor den Läden. Das Pflaster vor den Betonsicherungselementen scheint vielgenutzt und unsauber, neben und vor der jungen Frau sind kleine und größere (Papier-)abfälle sowie Verschmutzungen und Beschädigungen auf dem Boden zu sehen.
2. Vom Bildaufbau her betrachtet ist der Schnitt auf das Wesentliche beschränkt. Die vorherrschenden Senkrechten und Waagerechten werden grafisch betrachtet von den organischeren Formen und Linien der KFZ-Karosserie, der Sicherungselemente, des Baumstammes, der Dame und auch von denen der vielen Licht- und Schattenwirkungen aufgelockert.
Der sichtbare Gegensatz von Bankautomat und Frau mit Plastiktüten in Verbindung mit dem SW reizt inhaltlich zur Schlußfolgerung, daß die Frau zur armen Bevölkerungsschicht gehört. Aber auch das Gegenteil und viele weitere Deutungen sind möglich; z.B. daß die Dame als „Stadtindianerin“ nach erfolgreichen Einkäufen in der überfüllten Supermarktkette nun hier in der Mittagspause zum Ausschnaufen liegt und aufs (Wieder-)Öffnen des Blumenladens wartet, um vor der Heimfahrt ins Eigenheim vielleicht noch einige Pflanzen für den Garten und einen Blumenstrauß zur Verschönerung des Wohnraumes zu kaufen.
3. Besonders wegen dieser inhaltlichen Deutungsoffenheit der Szenerie und wegen der auflockernden Schatten- und Lichtwirkungen sehe ich die Vorlage trotz der leichten Verzeichnung am linken Rand als eine gelungene, gedankenanregende Alltags-Straßenaufnahme.