Alles Grau?
Der/Die FotografIn schreibt: "Ohne Beschreibung"
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Commentaire
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Agora 3.0 - Bildbesprechung intensiv 22/05/2022 9:13
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Agora 3.0 - Bildbesprechung intensiv 21/05/2022 8:57
togilsaram schreibt: "Ein herzliches Hallo an alle Agora-Teilnehmer!Dieses Foto entstand im Juni 2021 bei Sonnenschein am späten Nachmittag (EOS 70D, EF70-200mm, ISO100, 1/320s, f 6,3, 70mm) im Braunkohlentagebau Garzweiler. Zum einen wollte ich hier ein neues (gebraucht gekauftes) Teleobjektiv testen, zum anderen entstand eine Serie bei der Strukturen und Farbschattierungen an erster Stelle standen.
Eines der damals entstandenen Fotos befindet sich in meinem Profil. Während ich bei meinem Profilfoto nach der RAW-Entwicklung Kontrast und Schärfe stark angehoben habe blieb dieses Agora-Foto fast unverändert. Auf mich wirkt es deshalb flach und farblos – eben grau (trotz der Farbtupfer im Vordergrund). Eigentlich ein Bild das mir (auch wegen des unscharfen Vordergrunds) gar nicht gefiel.
Erst zu Beginn des russischen Einmarsches in die Ukraine erinnerte ich mich plötzlich an dieses Foto und habe es wenige Tage später bei Agora eingereicht. Meine ursprüngliche Intention/Fragestellung dabei war: „Kann man das eigentlich Unbeschreibliche fotografisch aufarbeiten kann ohne dort zu sein? Kann man allein durch die Darstellung einer düsteren Landschaft das Grauen darstellen? Als Optimist habe ich einen Rest von Hoffnung – symbolisiert durch die Farbe im Vordergrund. Allerdings zeigt die Unschärfe auch, dass die Hoffnung doch sehr ungewiss ist.“ Auch die Verbindung des Tagebaus mit den Begriffen Heimatverlust und Energie kam mir in den Sinn.
Inzwischen ist klar, dass dies eine sehr naive Fragestellung war und eine graue Landschaft in keinster Weise das Grauen und das Leid vor Ort darstellen kann. Deshalb wurde das Foto, in Absprache mit dem Agora-Team, auch ohne Kommentar veröffentlicht – zumal die Gefahr bestand, dass eine politische Diskussion zu sehr vom Foto ablenkt.
Soweit mein Kommentar den ich geschrieben habe bevor das Foto veröffentlicht wurde. Innerhalb der Woche sind dann viele Kommentare eingetroffen die eigentlich alle das Foto ähnlich beschreiben wie ich es sehe. Vielleicht hätte ich doch dem Vorschlag des Agora-Teams folgen sollen und das Bild ohne Titel veröffentlichen sollen? Hätte es dann andere Kommentare gegeben?
Grundsätzlich bleibe ich aber dabei, dass ein Foto einen Titel und möglichst auch einen Kommentar/Erklärung haben sollte. Zu vielen meiner Fotos gibt es Geschichten und persönliche Anmerkungen die sich nicht aus dem Foto ergeben und das Foto verständlicher machen. @Jürgen W2 wendet zwar ein, dass Picasso nur wenigen seiner Werke einen Titel gegeben hat – allerdings sind seine Werke auch sehr viel offener für Interpretationen als meine Fotos mit eher dokumentarischem Charakter die nach meiner Einschätzung durcheinen Titel und eine Erläuterung noch mehr Informationsgehalt bekommen.
Der von mir angestrebte positiv/negativ-Kontrast wurde in praktisch allen Kommentaren, teilweise sehr ausführlich und differenziert, angesprochen. Die Begriffe Heimatverlust und Energie kamen allerdings nicht vor. Der von mir nicht erwartete Begriff Kulturlandschaft eröffnete ein ganz neues Diskussionsthema. Insgesamt enthielten die Kommentare sehr viele Gedanken, Hinweise und Vorschläge die meinen Blick auf das Bild deutlich verändert haben und es mir inzwischen sogar gefällt. Diesen Lernprozess werde ich sicherlich auf weitere Fotos in meinem Archiv und neue Aufnahmen anwenden können. Herzlichen Dank dafür.
Es folgen nun Anmerkungen zu den einzelnen Kommentaren die zeitnah zur Veröffentlichung entstanden und deshalb in gewisser Weise meine sich verändernde Sicht auf das Foto wiederspiegeln.
@Mittelosteuropa-Entdecker Gleich der erste Kommentar hat den Aufnahmeort richtig zugeordnet und auch meine Brennweitenversuche richtig erkannt.
@HF25 Auch hier wurde der Aufnahmeort recht genau zugeordnet. „vordergrund macht bild gesund :-)“ ist wohl die erste Fotografenregel die ich gelernt habe. Hier macht der Vordergrund das Bild nicht wirklich besser, die von mit angestrebte symbolische Bedeutung wurde aber erkannt – wenn auch mit anderer Intention.
@wittebuxe Auch hier wurden Aufnahmeort und meine Intention in Ansätzen erkannt, aber auch interessante Interpretationen angeboten. Die Renaturierungspflichten sind aber ganz anders als hier vermutet. Wasserwirtschaftlich sind z.B. komplexe Probleme zu meistern. Selbst nach einem Ende des Tagebaus sind z.B. Pumpmaßnahmen noch über viele Jahrzehnte aufrechtzuerhalten. Deshalb hier ein kleiner Exkurs zu nur einem Thema der ökologischen Probleme beim Tagebau:
„Der Braunkohlentagebau Garzweiler hat eine Tiefe bis zu 210 Metern und erstreckt sich über mehr als 110 Quadratkilometer. Da die Kohle nur im Trockenen abgebaut werden kann wird an den Tagebaurändern das Grundwasser abgepumpt. Die so erreichte Absenkung des Grundwasserspiegels ist noch in einem weiten Umkreis messbar. Die meisten Wald- und Ackerflächen kommen mit dem natürlichen Niederschlag aus und werden durch die Grundwasserabsenkung kaum beeinträchtigt. Im Gegensatz dazu sind die grundwasserabhängigen Lebensräume von Feuchtgebieten, wie z.B. Bach- und Flussniederungen, besonders gefährdet und würden ohne Gegenmaßnahmen austrocknen und dauerhaft Schaden nehmen. Deshalb wird im Bereich dieser sensiblen Naturstandorte das abgepumpte Wasser durch Versickerungseinrichtungen wieder in das Grundwasser zurückgeführt.
Das sich die Wasserentnahme an den Tagebaurändern auch noch in weiter Entfernung (mehr als 20 Kilometer) auswirkt, hat komplexe physikalische und geologische Ursachen. Am Tagebau wird das Grundwasser aus tiefen Schichten entnommen. Auf Grund des Gewichts der darüber liegenden Erdschichten steht das Tiefengrundwasser unter sehr hohem Druck der durch die Entnahme abfällt. Diese Druckentlastungen reichen sehr viel weiter in das Umland hinein als die oberflächennahen Grundwasserabsenkungen. In weiten Teilen des Braunkohlenreviers befinden sich über der tiefen Grundwasserschicht Kohleflöze und Tonschichten, die nach oben und unten wie eine mehr oder weniger wasserdichte Sperre wirken. Deshalb hätte die Druckentlastung für sich allein noch keinen Einfluss auf den Wasserhaushalt an der Erdoberfläche.
Stellenweise hat diese Abdichtung jedoch ein großes Loch. Durch den verringerten Druck in den tieferen Schichten kann durch dieses sogenannte geologische (oder tektonische) Fenster Wasser aus den oberen Erdschichten in die darunterliegenden Schichten abfließen. Dadurch würden die für die wertvollen Ökosysteme benötigten hohen Grundwasserstände absinken, was zu nachhaltigen Schäden führen würde. Um den Druckverlust durch das geologische Fenster auszugleichen wird an diesen Stellen bis in große Tiefen Wasser eingeleitet.“
@Jürgen W2 Vielen Dank für diesen heiteren Einlass. Aber: die Grautöne entsprechen der Realität und stammen nicht aus der Bildbearbeitung. Den unscharfen Vordergrund mag ich auch nicht, das geht mit heutiger Technik und eventuell Bildbearbeitung besser. In diesem speziellen Fall ist die Unschärfe aber Teil der Bildaussage. Ich bin nicht Picasso und ich gebe meinen Fotos gerne einen Titel und meistens auch noch einen ausführlichen Begleittext. In diesem Fall kommt dem Fragezeichen im Titel eine besondere Bedeutung zu. Danke für das Lob, aber ich zweifle, ob es wirklich ein gut gemachtes Landschaftsfoto ist.
@Matthias von Schramm Danke für diesen detaillierten Kommentar. Darin einige Aspekte die ich so noch gar nicht wahrgenommen habe. Da ich schon meinen Bildkommentar weggelassen habe, sollte zumindest das Fragezeichen im Bildtitel stehen bleiben. Sicherlich eine Beeinflussung der Betrachter in die von mir gewünschte Richtung. Tatsächlich wird die Dominanz des Grauen entdeckt und das Bild überwiegend in meiner Sichtweise kommentiert. Interessant wäre jetzt natürlich zu erfahren, ob es auch ohne Überschrift zu dieser Aussage gekommen wäre. Den Gedanken den Vordergrund scharf darzustellen und dadurch eine ganz andere Bildaussage zu bekommen ( wie auch von @Mittelosteuropa-Entdecker angesprochen) ist mir vor Ort gar nicht gekommen. Ist es tatsächlich erschreckend in der Zerstörung Ästhetik zu erkennen? Oder ist es vielleicht ein gesunder Wesenszug selbst im Negativen noch Positives zu entdecken?
@framebyframe Ein weiterer Kommentar der meine Sicht/Absicht bestätigt aber auch neue Aspekte (Schreck, Flächenkontgrast) hinzufügt. Danke.
@NikoVS Der Tagebau Garzweiler ist nur einige Dutzend Kilometer von meinem Wohnort entfernt und ein- bis zweimal im Jahr das Ziel einer Radtour. Es gibt faszinierende aber auch beklemmende (z.B., wenn man durch tote Dörfer fährt) Motive. Dieses Foto schlummerte fast ein Jahr unbeachtet auf meiner Festplatte. Erst die Ereignisse in der Ukraine ließen mich den positiv/negativ-Effekt dieser Aufnahme erkennen.
@Gardin Interessant. Der fehlende Himmel beschneidet die Freiheit, @wittebuxe erkennt im fehlenden Himmel den Mangel an Hoffnung. Den Aspekt des fehlenden Himmels habe ich bisher noch gar nicht wahrgenommen. Zumindest nicht bewusst, aber es unterstreicht die von mir gewollte Bildaussage. In meinem Portfolio-Bild des Tagebaus ist Himmel vorhanden. Dort wurde vorgeschlagen, den Himmel zu entfernen. Habe ich gemacht und die Wirkung ist auch dort eine ganz andere.
@Gerhard Körsgen Ein sehr detaillierter Kommentar der weit über meine eigenen Gedanken hinaus geht. Auch ich fühle mich unwohl dabei, dass ich den Hintergrund interessant empfinde während mir der Vordergrund gar nicht gefällt – ohne ihn aber die gewünschte Bildwirkung nicht zustande käme. Danke für den tröstlichen Hinweis auf andere, lieblicher wirkende Kulturlandschaften, der mir ebenfalls bislang nicht gekommen ist. Immerhin soll auch hier irgendwann eine See-, Freizeit-, Erholungslandschaft entstehen.
@Wolfgang Zeiselmair Zwar sind die Halden von Menschen geschaffen, aber auch ich frage mich jetzt ob man sie wirklich als Kulturlandschaft bezeichnen kann. Insofern hinkt der Vergleich von @Gerhard Körsgen etwas. Selbst nach der eventuellen Renaturierung als Freizeitpark scheint mir der Begriff „Kulturlandschaft“ nicht ganz passend. Aber was ist z.B. mit dem für Viehweiden abgeholzten Regenwald? Laut Definition kann man hier von Kulturlandschaft sprechen obwohl sie auf massiver Naturzerstörung beruht. Ein schwieriges Thema das ich als Aspekt der Kommentierung meines Bildes nicht erwartet hätte.
@Gerd Scheel Nein, Wasser ist das nicht. Die Pumpmaßnahmen sorgen dafür, dass selbst nach starkem Regen die Pfützen schnell verschwinden.
@N. Nescio Doch, es ist ein Tagebau. Allerdings könnte es auch eine Geröll- oder Gletscherlandschaft sein. Gletscher kenne ich aber nur mit hellem Gestein – auf Island war ich noch nicht. Zu Schärfe/Unschärfe des Vordergrunds wurde in mehreren Kommentaren Stellung genommen. Eine richtige Lösung gibt es wohl nicht, es kommt auf die Sichtweise an.
"
wittebuxe 20/05/2022 18:49
Wenn das der schmutzige Auslauf eines Gletschers wäre, wären die Kettenfahrzeugspuren rechts mittig vlt. diejenigen von Snowmobiles oder -cats - das würde aber immer noch nicht die Erdhaufen am linken Ende dieser Spuren erklären. Der Autor veräppelt/verunsichert die Betrachter mit seinem Bildausschnitt. Dafür sei er verhalten gelobt!N. Nescio 20/05/2022 11:25
Mich wundert, dass da so viele Kommentatoren eine menschengemachte tagebaulandschaft sehen. Für mich ist das eine wilde gletscherlandschaft im Sommer, wo das Geröll und das Geschiebe, das am Gletscher liegt, durch Tauwetter freigelegt ist - die winterliche neuschneeschicht abgeschmolzen. Vor allem die Weite der Landschaft bis zum Horizont (sieht man den?) samt mäandrierendem Wasserläufen lassen mich am Tagebau zweifeln … für mich ist das Island. Naturgewaltig. Fein. Der einzige Hinweis auf Bergbau wäre für mich die Form des linken vordergrundhügels - gut, ich schau nur mittels handies.Das grünzeug samt mohnblumen hätte ich mir unschärfer gewünscht - nur die drei linken Blüten ins Bild nehmen, dafür von näher dran und damit viel unschärfer das Bild von unten rahmend. Oder die Blüten groß und unrealistisch scharf mit scharfem Hintergrund durch stacking.
Dort alleine stehen, unsicher ob der Automotor anspringt und 50km zum nächsten Haus, kein handymast in der Nähe. Ob sich heute noch jemand zufällig helfender hierher verirrt und wie kalt wird die Nacht im Auto? Dann spürst du die Größe. Der Natur und des etwaigen Leichtsinns. Ich. Finds gut - blumenwirkung hab ich oben erwähnt.
Lg gusti
Gerd Scheel 20/05/2022 9:34
Ich bin bei Niko,weil ich solche Landschaft hier nicht habe,
höchstens mal 'ne Kiesgrube.
Aber dadurch, dass ich alles gelesen habe
und die Halden und Tagesbau-Wunden
durch die Medien natürlich kenne, mag ich dies Bild. Dank der fc-Vergrößerung konnte ich nach dem Lesen immer wieder zurück und genauer schauen, was mir nicht aufgefallen war.
Auch die Renaturalisierung, die ja durch den
Kohleausstieg in der Presse für Schlagzeilen
sorgte. Ich bin immer wieder zurück gekommen
und finde Interessantes, ist es rechts unten wirklich Wasser?
Ich werde Sonnabend gerne lesen
was das Bild alles aussagen soll.
Wolfgang Zeiselmair 18/05/2022 8:01
Ich sehe jetzt erst einmal ein zweigeteiltes Landschaftsbild. Die eine Hälfte zeigt ein (natürliches) SW Bild der andere Teil ist in grün und rot gehalten. Es wirkt fast wie ein color key, das hier aber nicht durch Nachbearbeitung, sondern durch die Motivauswahl gestaltet ist. Als Kulturlandschaft möchte ich, das was ich sehe, nicht bezeichnen. Eine Kulturlandschaft ist für mich, ein durch Land- und Forstwirtschaft gestalteter Lebensraum. Also, alles was uns mit Ausnahme von extrem geschützten Naturschutzgebieten, in denen alles wachsen und vergehen kann wie es die Natur vorsieht, in unserem täglichen Leben umgibt. Was wir hier sehen ist eine Abraumhalde, also überspitzt gesagt das Exkrement eines industriellen Eingriffs. Ein wenig erinnert das Ganze an eine Landschaft nach einem Vulkanausbruch, alles mit Schlacke und Asche überzogen. Da wirkt das Grün im Vordergrund fast deplatziert, was durch die Unschärfe auf den Mohnblüten noch unterstrichen wird. Ist das Bild jetzt von der Aussage her positiv, weil die Natur die klaffende Wunde zu heilen sucht, oder zutiefst negativ, weil sich der Schaden in die Reste von Grün zu fressen scheint? Schwer zu sagen, es ist ein Fixierbild, das für mich immer wieder von einem Extrem in das andere kippt.Danke für´s zeigen, ein Bild, nicht für den schnellen Blick. Es wirkt nicht moralisierend und aufgesetzt, eher nüchtern dokumentarisch und verfehlt gerade dadurch seine intensive Wirkung nicht
.
Gerhard Körsgen 17/05/2022 15:49
Motivisch ist natürlich klar was das ist.Ich nähere mich dem zu Sehenden aber bewusst zunächst assoziativ:
Da sehe ich in der Ferne eine weite, hohe Welle, die sehr ebenmäßig auf das Land
zurollt und träfe sie auf das Land welches niedriger läge dieses sicherlich überrollen
würde. Das wirkt bedrohlich durch die schiere Größe, diese gewaltige Masse die auf mich bedrohlich und kraftvoll, nahezu brutal wirkt.
Was durch das dominierende dunkle Grau mit nur wenigen Farbnuancen in einem klaren, schattenlosen Licht wie von einer riesigen Lichtwanne erstellt (mal technisch
gesprochen: Der bedeckte Himmel als Studioaccessoire gedacht) dargestellt wird.
Mir kommen Bilder diverser Tsunami-Flutkatastrophen in den Sinn in denen das Meer, insbesondere nachdem es auf das Land getroffen war, eine ebene graubraune trübe "Suppe" war die alles niederwalzt.
Daran fühle ich mich hier erinnert.
Der unscharfe, als weitaus "bunter" empfundene Vordergrund mit den lieblichen
Mohnblumen - Farbklecksen bricht diese "düstere Bedrohung" auf.
Zugleich wirkt es perspektivisch als sei man etwas höher postiert als eben diese
"Welle" reichen könnte und somit "auf der sicheren Seite".
Solchermaßen beruhigt entspanne ich mich wieder.
Betrachtet man das Bild als abstrakte Flächen hat man mehrere Gegensatzpaare:
Einerseits "gefühltes Grau" des Hintergrunds versus eindeutigerer Farbwiedergabe des Vordergrunds.
Andererseits scharfer, differenzierter und strukturierter Hintergrund versus des
unscharfen, unstrukturierten Vordergrunds.
Persönlich kann ich nicht verhehlen dass ich mich vom Hintergrund in all`seiner
empfundenen Schroffheit , aber auch Strukturiertheit als Fan von Abbildungen die
grafisch angelegt sind mehr angesprochen fühle als vom "chaotischen" Vordergrund, auch wenn der in sich weitaus "lieblicher", gleichsam "humaner" `rüberkommt.
Natürlich ist mir klar dass dieser "chaotische Vordergrund" mental weitaus positiver
besetzt ist. Steht er doch sinnbildlich für den "guten" Teil eines weiteren
Gegensatzpaares welches ich hier bewusst etwas überspitzt formuliere:
Unberührte Natur versus vom Menschen zerstörte Natur.
Und jetzt stehe ich da und fühle mich schlecht weil ich diese "Un-Natur", diesen
Ausdruck einer vom Menschen geschaffenen zerstörten Umwelt fotogener, interessanter, künstlerisch inspirierender finde, im Vergleich ?
Nein.
Mir fallen unzählige Fotos ein von sogenannten "Kulturlandschaften" die gleichsam vom Menschen geschaffen wurden und als "wunderschön" gelten:
Schier endlose Lavendelfelder in der Provence mit ihren Reihenpflanzungen.
Terassierte Reisfelder in Asien.
Geschwungene Alleen mit eleganten schlanken Bäumen die sich durch sanfte Hügel winden in der Toskana.
Kreative Köpfe könnten sicherlich noch mehr Beispiele aufzählen.
Meiner Meinung nach liegt sowohl im "offensichtlich Schönen" als auch in dessen
Gegenteil gleichermaßen eine Art von "ästhetischer Qualität".
Was man/frau davon präferiert ist schon beinahe eine philosophische Frage: Mache ich mir die Welt schön oder nehme ich sie an wie sie ist ?
Es ist möglich in dieser Frage "zweigleisig zu fahren".
Also je nachdem.
...
Was diese Aufnahme anbetrifft ist sie für mein Empfinden einerseits "unklar genug"
gestaltet um eben solche Grundsatzfragen aufwerfen zu können, andererseits "zu unklar" um sich selbst dahingehend zu positionieren: Was ziehe ich vor ? Was ist mein eigener Standpunkt ?
Sprich: Ein auf den ersten Blick eher unscheinbarer, aber mit der Möglichkeit zur
"inhaltlichen Tiefe" versehener Beitrag, meiner Meinung nach bewusst skizzenhaft
fotografiert um ebendies zu ermöglichen.
Danke für s Zeigen.
Gardin 17/05/2022 9:15
Das erste Foto, bei dem ich extrem den Himmel vermisse. Ich komme mir eingesperrt vor, etwas engt mich ein.Obwohl das Foto aufgrund der Perspektive Weite vermittelt. Aber diese Weite wird abrupt beendet, die Freiheit beschnitten.
Für mich trotzdem oder auch vielleicht deshalb ein tolles Foto Die Aufteilung nahezu künstlerisch. Der leicht unscharfe vordere Grünstreifen mit den Mohnblumen Dann eine in verschiedenen Grau- Braun- und Schwarztönen fast architektonisch perfekt gestaltete Fläche beginnend mit Schrägen und dann bis zum Horizont flach verlaufend. Anders als sonst möchte ich aber auf keinen Fall dass die Fläche unendlich so weiter verläuft, ich möchte den Himmel sehen.
wittebuxe 17/05/2022 0:09
Wenn man's recht überlegt, ist es ein SW-Farbbild-Mix, das wir hier sehen, das wenige Blassgelb und Blassblau in den unfruchtbaren Sandhängen geht unter im Grau(en)haften und würde bei einer entsprechenden Konvertierung kaum vermisst. Die von mir empfundene Trostlosigkeit wird gemildert durch das Grün und die roten Tupfer vorn, aber betont durch einen fehlenden Himmel/Horizont - der psychologisch Weite und Hoffnung und Ausblick auf Besseres vermitteln würde. Das hat der natürlich absichtlich getan, der Fotograf ;-)NikoVS 16/05/2022 13:52
Ich sehe ein Bild aus einer menschlichen Kulturlandschaft. Einer Landschaft, die der Mensch so erschaffen hat. Und ich sehe ein interessantes Motiv, das ich so aus meiner eigenen Heimat nicht kenne. Viele Grautöne. Grautöne, die als Motiv taugen. Ja - fast schon fotogen sind. Alles grau? Alles tot? Alles lebensfeindlich? Nein. Man sieht im Vordergrund und in der Mitte des Bildes grünes Leben. Und rote Farbtupfer. Es sind die Blüten von Mohn. Diese roten Farbtupfer und das frische, grüne Gras geben dem Bild ein bißchen Freundlichkeit und Hoffnung. Ja sie stimmt - die alte Fotografenweisheit: Vordergrund macht Bild gesund. Die Frage, ob die Mohnblüten scharf sein sollten oder doch die grauen Halten ist eher eine technische Frage. Und eine Frage, welche Elemente der Fotograf betonen wollte. Eigentlich ein schönes Motiv. Vermutlich hätte ich auf die Elemente der Hoffnung im Vordergrund scharf gestellt. Das Positive im Bild betont. Quasi als Optimist!framebyframe 16/05/2022 11:21
Wie verstummte Zeugen aus der Zeit als die Natur noch über die Erde herrschte schauen, mit Restfarbe versehen, einige Mohnblumen hinab in einen grauen Tagebau und haben vor Schreck sogleich alle Schärfe verloren. Quantitäts-Flächenkontraste vermengt mit Farbkontrasten. Sehr schöne, wirkungsvolle Darstellung des Raubbaus an der Natur. Apokalypse, eher denn Rückeroberung durch die Natur, schon wegen der Unschärfe zu wenig Eroberungskraft verblieben. Überlegt fotografiert.Matthias von Schramm 16/05/2022 9:46
Hier gibt es grob drei horizontale Unterteilungen. Oben eine relativ plane Fläche mit Wellen und kleinen Hügeln, darunter ein schräger Abhang. Dann eine Linie, die in etwa die unscharfen Gräser im Vordergrund trifft und scheinbar abgrenzt. Die oberen Flächen nehmen zusammen etwa die Hälfte des Bildes ein, die untere die andere Hälfte. Das ist eine unscheinbare, aber wohl auch ganz kluge Einteilung. Die Wellen muten an, als begänne da sowas wie das weite Meer. Dem ist aber nicht so. Tagebau hat die Landschaft zerstört. Symbolisch zart im unklaren gelassen beginnt sich die Natur etwas zurück zu holen. Aber es sind nur wenige rote Blüten und grüne Halme, ein wenig Wildwuchs, deren erobern eines Landschaftsstückes erfreulich, wenn auch noch nicht erfolgreich genug anmutet.Ich mag keine Fragen in Bildtiteln, will aber dennoch darauf eingehen: es ist nicht ein grau, es sind viele gräulich bläuliche Schattierungen, es ist die Vielfalt an Farbresten, die durch Tageslicht sichtbar wird. Ich erinnere mich, dass ich als Kind einen grau weiß bläulichen Stein aufhob, heim nahm und fasziniert abzeichnete. Jedes Stück Fläche benannte ich anders, so wie man den Mondkratern Namen gab. Wir haben hier ausser Schutt und Asche auch Adern und Risse eines Stückes Erde. Auch die Zerstörung, die menschliche Ausbeutung der Welt und die Eroberung ihrer Rohstoffe hinterlässt zwar Wunden, aber eben nicht nur ein grau. Es kommt eine eigene Ästhetik durch Flächen und Linien zu Tage, grafische Ereignisse und nicht nur ein schwarzes Loch durch wüste Zerstörung.
Symbolisch zeigt der unscharfe Vordergrund die Dominanz des Grauen. Umgekehrt sähe das ganz anders aus. Insofern stehe ich als Fotograf hier ein wenig vor einer Krux. Von meiner Fotologik her, würde ich auf die Blümchen fokussieren, was aber hier nur Sinn macht, wenn der Hintergrund noch genügend Zeichnung hat, die Risse und Rinnen noch deutlich und da sind. Da muss ich dann und würde auch einige Blenden ausprobieren. Andererseits gelingt die Aussage nur so, wenn die Blümchen, und Gräser, die ja erkennbar sind, eher angedeutet werden und der Fokus auf dem Hintergrund sitzt. Insofern wohl alles richtig gemacht. Es bleibt eine individuelle Entscheidung und ich bin mir auch hier sicher, dass ich eine andere getroffen hätte, zu dieser hier aber ja sagen muss.
Interessanter Blick auf keine Kulturlandschaft, sondern auf die Unkultur des Eingriffs in sie, was für mich als oft in Gemälden, Zeichnungen und Grafiken denkenden eine erschreckende Ästhetik zutage fördert.
wittebuxe 15/05/2022 12:58
Eine trostlose, vollkommen lebensfeindliche Landschaft, auf den ersten Blick, möchte man meinen, wären da nicht im Vordergrund die ersten Anfänge der (Wieder)Eroberung durch die Natur. Oder ist dies ein Stück Land, ausgeplündert durch den Menschen; hat seine Schuldigkeit getan, liegt nun da wie die leere "Decke" eines ausgeweideten Stückes Wild, nutzlos. Braunkohletagebau evtl?Obwohl wie Mondlandschaft leer, augenscheinlich in Jahrmillionen unangetastet, erkenne ich rechts Spuren von Kettenfahrzeugen im Kiessand, die kleinen Hügel am Ende dieser Spuren sollen vlt. mithelfen, Wasser in diesem entstandenen tiefen Tal über Jahre zu sammeln: könnten das Renaturierungspflichten sein, die nun zu erfüllen sind?
Ein Dokumentationsfoto mit Augenzwinkern, es soll den Betrachter nach Anderland verleiten - aber evtl. auch ganz anders, eine Szene in Island abseites vom Gletscher oder so, wären da nicht die schönen Mohnblumen - oder wachsen die da auch?
Entmutigend, ermutigend, auf jeden Fall geeignet zum Grübeln und Nachdenken. Denkt sich der Fotograf.
Mittelosteuropa-Entdecker 15/05/2022 9:30
Eine durch Tagebau zerstörte Landschaft. Da sind wir gleich beim Thema Ökologie. Übrigens ist der Frühling in Berlin-Brandenburg schon wieder viel zu trocken.Vom Bildaufbau her gefällts mir.
An diesem Ort könnte man lange mit Brennweite und Blende und Schärfe experimentieren. Vielleicht ein noch tupfenhafterer Vordergrund? Oder der Hintergrund unscharf? Oder mit Horizont? Jedenfalls gäbe es auch weitere "richtige" Varianten ...
Freundliche Grüße
Agora 3.0 - Bildbesprechung intensiv 15/05/2022 9:03
Der/Die FotografIn schreibt: "Ohne Beschreibung"